■ Belgrad will ein Bündnis mit Rußland und Weißrußland
: Was der Westen ernst nehmen muß

Das jugoslawische Bundesparlament hat einmütig den Beitritt zum Bündnis mit Rußland und Weißrußland beschlossen. Mag sein, daß dies keine direkten realpolitischen Wirkungen hat, doch es spiegelt die Atmosphäre in Serbien. Man ist überzeugt, daß russische Atomraketen jetzt auf US-Ziele gerichtet sind. Im Westen scheint man sich nicht vorstellen zu können, wie groß der Haß gegen die Nato nach drei Wochen allnächtlicher Bombenangst in Serbien ist, wie groß die Hoffnung auf das rettende Wunder.

Ganz abwegig ist es trotzdem nicht, den Anschluß Serbiens an die großen orthodoxen Brüder ernster zu nehmen, als es auf den ersten Blick scheint. Jelzin hat „Weisung gegeben“, den Wunsch Belgrads zu erfüllen. Primakow und Iwanow haben es damit zwar nicht eilig. Doch in Rußland gibt es starke nationale Gefühle, zudem stehen Wahlen bevor.

Manche meinen, Rußland sei wirtschaftlich zu schwach, um einen selbständigen Weg zu gehen. Das ist ein Irrtum. Gerade in wirtschaftlichen Engpässen greifen Politiker gerne zu irreal anmutenden Maßnahmen. Das Elend der Bevölkerung nährt Nationalismus und Faschismus. Ein halber Kriegszustand würde Not und Elend erklären. Dann wäre der Feind daran schuld, nicht die Regierung. Eine Schreckensvision: Die Nato rüstet die albanische Rebellenarmee UÇk als Bodentruppe in Kosovo auf, Rußland schickt „Freiwillige“, eine Vietnamisierung des Kosovos, ein Stellvertreterkrieg in Europa, beginnt. Alles, was nach 1989 zu begrüßen war, wäre verloren.

Ohne Rußland gibt es keine Stabilität in Europa. Das ist eine Binsenwahrheit, die sich noch nicht ausreichend herumgesprochen hat. Deshalb darf man dem Kreml nicht drohen. Man muß vielmehr seine legitimen Interessen auf dem Balkan verstehen. Serbien baut darauf, daß es dann unter dem Schutzschirm Moskaus mit dabei ist. Ivan Ivanji

Der Autor lebt als Publizist und Schriftsteller in Wien