Daimler-Chrysler droht Strafe

Wie Volkswagen wird nun auch der Autohersteller aus Stuttgart mit einer teuren Klage der EU-Kommission konfrontiert. Konzern will Vorwürfe prüfen    ■ Aus Brüssel Peter Sennekamp

Die EU-Kommission in Brüssel ist zwar offiziell zurückgetreten, dennoch hat sie gestern selbstbewußt zu einem Schlag gegen den deutsch-amerikanischen Autoriesen DaimlerChrysler ausgeholt. Wie ein Kommissionssprecher erklärte, werde sich DaimlerChrysler eventuell wegen Verletzung der europäischen Wettbewerbsregeln vor dem Europäischen Gerichtshof verantworten müssen.

In Brüssel hieß es gestern, die Verhandlungssumme könne sich auf bis zu 10 Prozent des Unternehmensumsatzes im Jahr vor der Gerichtsentscheidung belaufen. Der Konzernumsatz erreichte im vergangenen Jahr eine Höhe von rund 256 Milliarden Mark, eine weitere Steigerung um 14 Milliarden ist angekündigt.

Laut der Kommission bedient sich DaimlerChrysler unerlaubter Verkaufspraktiken, weil sie ihren Händlern verbietet, Autos auch an Kunden aus dem Ausland zu verkaufen. Die Verkaufspreise in den verschiedenen EU-Ländern sind einigermaßen gleich – nicht jedoch die vorher draufgeschlagenen Steuersätze. Für Kunden aus dem Ausland gelten jedoch oft diese Steuern nicht.

Daher können beispielsweise Deutsche in Dänemark ein Schnäppchen machen. Denn vom Verkaufspreis können sie sich die Mehrwertsteuer von 25 Prozent und die hohen Zulassungs- und Luxussteuern abziehen lassen.

Laut EU-Recht sind solche Schnäppchen-Züge aber erlaubt. DaimlerChrysler jedoch habe seinen Autohändlern diese Verkäufe untersagt, so ein Sprecher der Kommission gestern. Danach betreffen die Vorwürfe gegen DaimlerChrysler Vertragshändler in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Spanien. Der Kommissionsprecher bezog sich dabei auf die Jahre 1986 bis 1995, also bevor die Fusion mit Chrysler zustande kam.

Der EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert holte mit der Klage zum zweiten Mal zu einem Schlag gegen einen deutschen Automobilhersteller aus. Ende Januar vergangenen Jahres mußte bereits die Volkswagen AG 202 Millionen Mark zahlen, weil der Konzern seine italienische Tochtergesellschaft Autogerma seit Mitte der 80er Jahre daran gehindert hatte, Neuwagen der Marken Audi und VW an Kunden aus Deutschland und Österreich zu verkaufen. Van Miert hatte im Januar von einem ungewöhnlich dreisten Fall von Marktabschottungspolitik gesprochen und weitere Untersuchungen gegen EU-Autokonzerne angekündigt. VW klagt derzeit noch gegen das Strafgeld vor dem Europäischen Gerichtshof.

Unmittelbar nachdem die EU-Kommission die Klage gestern ankündigte, widersprach der Konzernsprecher von DaimlerChrysler, Detlef May, den Vorwürfen. Der Konzern habe nie eine Strategie der Abschottung betrieben und die Kommission schon frühzeitig bei den Ermittlungen unterstützt. May ließ jedoch im unklaren, wie es zu den jetzigen Vorwürfen kommen konnte.

DaimlerChrysler hat nun zwei Monate Zeit, auf die Vorwürfe zu reagieren. In dieser Zeit wollen die Stuttgarter jeden einzelnen Fall prüfen. „Wir hoffen, daß wir dann die Vorwürfe der Kommission entkräften können“, so May. Die Kommission hatte, wie nun bekannt wird, bereits im Dezember 1996 in der Firmenzentrale und bei Händlern Material gesammelt.

In Brüsseler Kreisen hieß es gestern, auch bei den Praktiken beim Verkauf von Taxi-Fahrzeugen verstoße der Konzern gegen EU-Wettbewerbsrecht. Hier gibt es anscheinend Rabatte beim Kauf einer ganzen Flotte von Fahrzeugen – was der Wettbewerbskommission auch mißfällt.

Volkswagen mußte wegen des gleichen Vorwurfs 1998 gut 200 Millionen Mark an die EU-Kommission zahlen