Kommentar
: Spielräume

■ Die Bonner Initiative könnte die Eskalation des Kosovo-Krieges stoppen

Die diplomatische Initiative Bonns könnte die Eskalationslogik durchbrechen. Bislang war die Nato mit der Alternative konfrontiert, entweder die nicht zum Ziel führende Bombardierung auszuweiten oder, was noch problematischer ist, Bodentruppen in das Kosovo zu entsenden. Der Fischer-Plan beseitigt diese Logik durch ein 24stündiges Moratorium der westlichen Kriegshandlungen. Mit der Drohung, das Bombardement wiederaufzunehmen, falls der Abzug der serbischen Streitkräfte aus dem Kosovo unterbleibt, würde der Druck auf Belgrad aufrechterhalten. Die Nato würde nicht vor Milošević kapitulieren. Sie signalisiert aber unzweideutig ihr Interesse an einer politischen Lösung. Der Vorschlag bemüht sich zudem um die Wiederbelebung drei schwerbeschädigter Opfer der Nato-Strategie: um die Vereinten Nationen, das Völkerrecht und die westlich- russischen Beziehungen.

Die Nato hat die UNO bei ihrer Entscheidung umgangen und dadurch deren Autorität schwer beschädigt. Der deutsche Vorschlag rehabilitiert sie: Der Generalsekretär soll uneingeschränkt an der Verhandlungsdiplomatie beteiligt werden. Friedenstruppe und Übergangsverwaltung für das Kosovo sollen auf eine Sicherheitsratsresolution gestützt werden. Damit würde das von der Nato gebrochene Völkerrecht restauriert. Die Sicherheitsresolutionen könnte die Friedenstruppe berechtigen, das künftige Abkommen notfalls auch mit Gewalt durchzusetzen. Der rechtlose Status der Nato-Operationen würde durch Rechtmäßigkeit ersetzt.

Der Plan sieht vor, zunächst die G 8, in der Rußland, aber nicht China vertreten ist, mit den Vorarbeiten für die Friedenslösung zu betrauen. Rußland soll auch bei der Friedenssicherung eine herausgehobene Rolle spielen. Damit könnte es möglich werden, die westlich-russischen Beziehungen zu verbessern. Die Europäer müssen jetzt auf die USA einwirken, hinsichtlich der Rolle der Nato in der Friedenssicherung flexibel zu sein. In der Praxis muß die Nato als einzig operationsfähige Militärorganisation die zentrale Rolle spielen. Hier ist aber symbolische Politik gefragt. Wie die Truppe heißt und wie ihr Überbau arrangiert wird, dafür sollte Spielraum vorhanden sein. Es geht nämlich um den Frieden in Europa, nicht um die Demonstration amerikanischer Hegemonie. Harald Müller

Mitarbeiter des Hessischen Instituts für Friedens- und Konfliktforschung