Morgengrauen in St. Pauli

■ Baubehörde will „Grundrecht auf Parken“ für St. PaulianerInnen / Möge die Simon-von-Utrecht-Straße Tempo-30-Zone werden, fleht Heike Haarhoff

Der Wecker könnte eigentlich Feierabend machen. Gegen das allmorgendliche Konzert von Preßlufthammer, Betonmischer und Schlagbohrer hat sein piepsendes Schrillen sowieso keine Chance: Seit Monaten wird auch der noch so selige Schlaf auf St. Pauli von Donnern und Grollen, die sonst nur Erdbeben vorausgehen, jäh um kurz vor sieben beendet. Wer zu zweit aufwacht, kann sich gegenseitig die Ohren zuhalten; ansonsten tröstet nur die Bettdecke. Der Blick aus dem Fenster bestätigt das Entsetzliche: Tiefe Schluchten spalten die einst glatte Straßendecke, Berge von Rohren liegen daneben: Sie alle sollen irgendwann in den Erdschichten verschwinden; „Sielerneuerung“, strahlen die Bauarbeiter und sind überzeugt, uns Gutes zu tun.

Pustekuchen. Das Grauen des Morgens hat gerade erst angefangen: Weil ständig irgendwo anders gebuddelt wird und sich die Parkverbots-Zonen dadurch verschieben, erfordert das Auffinden des Autos detektivischen Spürsinn: Entweder ist das Gefährt abgeschleppt, oder an der Windschutzscheibe prangt ein Gruß der stets aufmerksamen Innenbehörde. „Eine echte Sauerei“, findet ein Nachbar, denn „hier auf dem Kiez sind die Parkplätze auch ohne Baustelle immer knapp, weil die vielen Touristen sie uns wegschnappen.“

So geht das nicht, haben mittlerweile auch die Behörden eingesehen, daß das „Grundrecht auf Parken“ ein schützenswertes Gut der Einheimischen ist: Am 18. April beschloß der Hamburger Senat, „in St. Pauli nördlich der Reeperbahn die notwendigen Vorarbeiten zur Einrichtung von Anwohnerparken aufzunehmen“. Sehr löblich: AnwohnerInnen in Talstraße, Hamburger Berg, Hein-Hoyer-Straße, Seilerstraße, Wohlwillstraße, Detlev-Bremer-Straße und wie sie alle heißen, sollen bald mit Hilfe von Ausweisen (für etwa 60 Mark jährlich abzuholen beim Einwohneramt des Bezirks) in den Genuß eines begehrten Stellplatzes kommen. „Wir erstellen jetzt zügig eine genaue Gebietskarte, um die Planungen voranzutreiben“, verspricht Baubehörden-Sprecher Manfred Thiede.

Von der Stadtplanungsabteilung im Bezirk Mitte wird dieser Vorstoß begrüßt. Die GAL-Mitte hat zudem ein beachtliches Diskussionspapier zum „Verkehr in, von und nach St. Pauli-Nord“ vorgelegt: Neben Anwohnerparken regt sie die Einrichtung von „Car-Pools“ (z. B. durch Statt Auto) an als Anreiz, aufs eigene Auto zu verzichten. Denkbar wäre auch, den Parkraum im Bereich Paulinenstraße/Paulinenplatz zugunsten von Kinderspielplätzen aufzugeben. Der öffentliche Nahverkehr müsse verbessert werden. Gefordert wird eine direkte Busverbindung St. Pauli-Univiertel-Eppendorf (Verlängerung der Linie 114), mit der „Cats“, Hallenbad Budapester Straße, Dom, St. Pauli-Stadion, Planten un Blomen, Messe, Uni und Rotherbaum-Tennis usw. bequem zu erreichen wären. Die U 3 sollte zwischen Schlump und Berliner Tor während der Hauptveranstaltungszeiten abends im 2,5minütigen Takt verkehren.

Und schließlich greift die GAL in ihrem Konzept eine Idee auf, die Chef-Stadtplaner Peter Illies schon vor Wochen gegenüber der taz als „Denkmodell“ präsentierte: Um die hohe Unfallrate zu senken, sollte auf der Simon-von-Utrecht-Straße – sie verbindet Budapester Straße und Holstenstraße – Tempo 30 gelten. Zusätzlich sollte die „Vorrangstraße“ verkehrsberuhigt werden, indem sie wieder zu einer normalen, in beide Richtungen befahrbaren Straße wird. Daß die Baubehörde diesem klugen Vorschlag immer noch skeptisch gegenübersteht, ist der Verfasserin dieser Zeilen als direkt Betroffener schier unbegreiflich ...