Heirat unter Stuck

■ Wo Lessing nach dem Ja-Wort zu Fall kam: Hochzeitsboom im Alten Land

Brautpaare, die es romantisch lieben, zieht es ins Alte Land. Geheiratet wurde hier schon immer gern. Doch seit einigen Jahren beobachtet vor allem das Standesamt in Jork (Kreis Stade) einen regelrechten Hochzeitsboom. Mehr als 300 Paare schließen dort jährlich den Bund der Ehe, wobei die AltländerInnen selbst zur Minderheit wurden. Zwei Drittel aller Brautleute reisen von auswärts an.

„Bei uns lockt wohl das Ambiente im Fachwerk-Rathaus“, vermutet der Jorker Standesbeamte Uwe Köpke. Auch von der persönlichen Atmosphäre im Trauzimmer seien die Heiratswilligen immer wieder begeistert. Der Raum hat eine Stuckdecke, rosarote Farbe an den Wänden und gedrechseltes Altländer Gestühl. Das Standesamt im Rathaus der Nachbargemeinde Lühe ist zwar nicht minder attraktiv, doch dort geben noch die Einheimischen bei den Brautpaaren den Ton an. Nur zehn Prozent stammen von außerhalb. In Jork macht sich stärker die Nähe zu Hamburg bemerkbar, „aber eigentlich kommen die Paare aus allen Teilen der Bundesrepublik“, betont Köpke. Für den 9.9.99 gibt es bei ihm nur noch wenige freie Termine.

Wer sich in Jork das Ja-Wort gibt, hat prominente Vorbilder: Kein Geringerer als Gotthold Ephraim Lessing heiratete hier 1776 die Hamburger Kaufmannswitwe Eva Catharina König. Die Hochzeit fand auf dem Sommersitz eines Verwandten statt. Kaum war die Eheschließung vollzogen, kam der Reinfall. Der menschenscheue Dichter verlustierte sich gerade mit seiner frisch Angetrauten unter den Apfelbäumen, als Eva ihm einen Apfel pflücken wollte. Lessing verlor das Gleichgewicht und stürzte in einen der schlammigen Wassergräben, von denen das Alte Land durchzogen wird. Die Chronik berichtet, daß der Dichter über das Mißgeschick so erbost war, daß er sofort abreisen wollte.

Die Gemeinde Jork setzte dem berühmten Hochzeiter am Obstmarschenweg ein Denkmal. Und vor dem Standesamt des Jorker Rathauses ist Lessing und seiner Braut eine neue weiße Bank gewidmet. dpa