Rosinenradios
: Bomben im Transistor?

■ Funkstille im Äther? Warum über die albanischen Flüchtlinge in Berlin ihr eigenes Radioprogramm leider hinwegrauschte

Helfen ist schwer: Eine tägliche albanische Sondersendung, speziell für die nach Berlin verbrachten Kosovo-Flüchtlinge, mit Tips und Informationen über Sozialhilfe, Behörden und natürlich die aktuelle Lage rund um das Kosovo – das wär's doch, dachte man sich beim Sender Freies Berlin, Radio MultiKulti (106,8). Wer, wenn nicht wir, könnte das leisten? Gesagt, getan, kurzerhand wurde ein Konzept aus dem Boden gestampft, pünktlich zur Ankunft der ersten Flüchtlinge aus dem Kosovo am vergangenen Montag ging das albanische Sonderprogramm auf Sendung: Jeden Tag eine albanische Viertelstunde von 21.50 bis 22.05 Uhr über Einkaufsmöglichkeiten, Schulangebote für die Kinder, humanitäre Einrichtungen, albanische Treffpunkte bis hin zu Öffnungszeiten der Kirchen und Moscheen – mit freundlicher Unterstützung der Berliner Ausländerbeauftragten.

Dann kam die Hiobsbotschaft: In den Flüchtlingswohnheimen, in denen die Berliner Kosovo-Flüchtlinge untergebracht sind, gibt es keine Radios! All die wichtigen Informationen für die Neuankömmlinge verhallten ungehört im Äther, rauschten quasi über die Köpfe der Kosovaren hinweg! Nachdem der Treppen

Foto: Petra Schrott witz verklungen war, sich die gramgebeugten Köpfe der von niedrigen Einschaltquoten ohnehin schon gebeutelten MultiKulti-MitarbeiterInnen wieder hoben, der Friedensplan: „Eine Brücke zur Heimat“ – mit diesem bewegenden Aufruf wurden die Hörer von MultiKulti aufgefordert, Radios zu spenden.

Ein voller Erfolg, über zehn Radiospenden schon in der ersten Sendung, die Telefone schrillten – die Alarmglocken in der Geschäftsleitung aber auch: Was, wenn in einem dieser Radios eine Bombe steckt? Wenn jetzt der SFB in die Luft fliegt? MultiKulti-Mitarbeiter müssen die Geräte höchstpersönlich in Empfang nehmen, so lautete die Anweisung – damit niemand anders gefährdet wird (Denn wer sich in Gefahr begibt ...).

Was mich auf einen ganz anderen Gedanken bringt: Wann explodiert eine Bombe, die in einem Radiogerät versteckt ist? Wenn man es anschaltet, vermutlich. Was die unmittelbare Gefahr für den SFB also wieder abwendet – wenn man das Radio ausläßt. Nur die gespendeten Geräte selbstverständlich. Also alle hübsch sammeln, vorsichtig lagern, bis dann MultiKulti mit dem Ü-Wagen zum Flüchtlingsheim fährt, im Gepäck lauter schöne Radiogeräte. Feierliche Übergabe an die bewegten Flüchtlinge, das Programm ist einprogrammiert (106, 8!!), dann der große Moment ...:

Rund dreißig Radiogeräte hat SFB 4-MultiKulti übrigens bereits gesammelt. Anfang kommender Woche werden sie zunächst ins Flüchtlingsheim Hohenschönhausen gebracht – das Ganze mit freundlicher Unterstützung der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung.

Martina Habersetzer, 35, von 1988 bis 1991 in der Berlin-Redaktion der taz, damals zuständig für Arme, Alte, Kranke, Schwache, Jugend, Frauen und Familie, heute Redakteurin bei SFB 4-MultiKulti