Ein Penny für Schottland

■ Zum ersten Mal seit 300 Jahren wählen die Schotten ein eigenes Parlament

Skye (taz) – Schneestürme, Schafherden und keine Scottish National Party (SNP). Drei Wochen vor der Wahl zum ersten schottischen Parlament sind die Nationalisten auf der Hebrideninsel Skye kaum präsent. Dabei hat erst der jahrzehntelange Kampf der SNP für die Loslösung Schottlands von Großbritannien die Labour Regierung in London zu ihrer Politik motiviert, die Autonomie statt Unabhängigkeit verspricht.

Auch Labour Party, Tories, Liberale und Grüne treten kaum auf. Die Situation auf Skye, so der Eindruck nach zwei Wochen in Schottland, ist typisch für das ganze Land. Auf der Insel Skye hängt allenfalls noch das Konterfei von Iain Noble an den Telegrafenmasten: Ein Ölmillionär, der als unabhängiger Kandidat ins neue Parlament einziehen will. Dort verspricht er, sich für mehr Gälisch-Unterricht in den Schulen und für die Unterstützung der Volksmusik stark zu machen. Die SNP fordert dagegen den „Penny für Schottland“, der als Zusatzsteuer erhoben werden soll, um Investitionen in Infrastruktur und Ausbildung zu finanzieren. Das erinnert an alte Labour-Politik. Und auch mit seinem Eintreten gegen Nato-Bomben auf Jugoslawien, das er als „verbrecherisches Abenteuer“ bezeichnete, hat sich SNP-Chef Alex Salmond vor allem die Sympathien von Labour-Linken und ihren Anhängern sichern können.

In der Fußgängerzone von Fort William, einer kleinen Stadt am Fuß des Ben Nevis, des höchsten Berges im vereinigten Königreich, versucht es SNP-Kandidat Fergus Ewing mit gefälligeren Parolen: „Wir müssen unsere Steuern selbst festsetzen können, denn nur Schotten wissen, was Schottland braucht, um seine Wirtschaft zu stärken.“ Ewing, selbst Unternehmer und im feinen grauen Zwirn in bitterer Kälte zum Wahlkampfeinsatz angetreten, wirkt mit seinen Parolen durch das gelbe Megaphon nicht wirklich überzeugend. Der Wahlkampf für Holyrood, das Schottische Parlament, findet dieser Tage vor allem in den Medien statt. Hier werden die Schottischen Wirtschaftsdaten rauf und runter gerechnet. Der britische Haushalt zahlt 2 Milliarden Pfund mehr für Schottland, als er von schottischen Bürgern an Steuern kassiert, rechnet die Blair-Regierung vor, um zu widerlegen, daß Schottland vom Zentralstaat benachteiligt wird. Während die Investitionen in Schottlands Infrastruktur in den nächsten 5 Jahren nur um 5 Prozent steigen sollen, will London seine Ausgaben für England und Wales in diesem Zeitraum um 23 Prozent steigern, rechnet die SNP dagegen. In den Medien werden auch die möglichen Koalitionen durchgespielt: Derzeit könnte Labour die absolute Mehrheit der Sitze in Schottland knapp verfehlen, Liberale und SNP könnten dann die erste schottische Regierung stellen. Oliver Tolmein

Der Autor war 1986 bis 89 taz-Redakteur. Zur Zeit macht er sein Juraexamen und arbeitet freiberuflich als Journalist.