„Ich liebe euch alle“

Das 21:20 gegen Neuling Berlin Thunder soll für die Frankfurt Galaxy der Grundstein zum Gewinn der NFL Europe sein  ■ Von Klaus Teichmann

Frankfurt (taz) – Gar nicht so schlecht, mag sich Liga-Präsident Oliver Luck gedacht haben, nachdem das neueste Produkt des europäischen Ablegers der amerikanischen Kulturinstitution National Football League (NFL) nur eine knappe Niederlage kassiert hatte. Berlin Thunder verlor sein Auftaktspiel denkbar unglücklich mit 20:21 bei der seit 1991 in der NFL Europe etablierten Frankfurt Galaxy – letztes Jahr immerhin im Finale der World Bowl.

Publikum hatten die Gäste aber keines mitgebracht – so etwas gibt es einfach noch nicht. Die im Football übliche Geste, das Trikot mit der Rückennummer 12 nicht an einen Spieler zu vergeben, sondern selbiges in Übergröße von den eigenen Fans ausrollen zu lassen, funktioniert bei Thunder noch nicht. Und so wurde es knapp für die „Galaktischen“, die unter großem Medieneinsatz angekündigt hatten, am Samstag den einmillionsten Fan mit einer Dauerkarte auf Lebenszeit beglücken zu wollen. 970.000 Zuschauer hatte man in den vergangenen Jahren begrüßen dürfen, der Schnitt lag in den letzten beiden Runden bei über 35.000. Doch dann gefährdeten nicht vorhandene gegnerische Fans das aufwendig vorbereitete PR-Spaktakel. Es fand sich schließlich aber doch einer für den Lifetime-Award, und offiziellen Angaben zufolge sollen es sogar noch 127 Besucher mehr als benötigt gewesen sein.

Der Glückliche dürfte wiederkommen, denn es entwickelte sich von Anfang an ein äußerst umkämpftes Spiel. Die Gäste setzten die ersten Akzente durch Quarterback Andrew Ware, der im ersten Viertel mit dem einzigen Touchdown die Grundlage zur zwischenzeitlichen 10:3 Führung legte. Axel Kruse, Ex-Hertha-Fußballer und früher auch bei Eintracht Frankfurt beschäftigt, hatte an alter Wirkungsstätte keine Mühe, den fälligen Extrakick über die Latte zu bugsieren. Doch Ware baute mit zunehmender Spielzeit deutlich ab, und die Initiative der Gäste-Offense lag immer mehr auf den selbstverständlich breiten Schultern ihres unermüdlichen Running Backs Edwin Watson. Frankfurt mit den arbeitsteilig agierenden Quarterbacks Jeromin Delhomme und Pat Barnes – dem „doppelköpfigen Monster“ – setzte sich immer besser in Szene.

Bei dem von Galaxy-Headcoach Dick Curl praktizierten Rotationsprinzip auf der Spielmacherposition gingen von Pat Barnes die entscheidenden Aktionen aus. Mit 14:20 lagen die Frankfurter in Rückstand, als Barnes auf den Platz zurückbeordert wurde: In einer spektakulären Aktion warf er den Ball in höchster Bedrängnis zum durchstartenden Andy McCullough, um im nächsten Moment unter dem Rudel der Berliner Defense begraben zu werden. Der 42-Yards-Paß kam zentimetergenau an, und McCullough rannte seinem zweiten Touchdown an diesem Abend entgegen. Just als McCullough die Endzone erreichte, die Galaxy-Fans entzückt aufschrien, das Spiel doch noch herumgerissen war, meldete sich die Faust des Quarterbacks aus der untersten Riege einer aufgestapelten Traube massiger Männerkörper mit einem satten Jubelstoß.

Einen gewissen Willen zur Europäisierung dokumentierte nach dem Spiel Berlins Headcoach Wes Chandler: „Sechs Mannschaften in der Liga, da war es doch klar, daß drei verlieren und drei gewinnen müssen“, herbergerte er nach dem Spiel in den Katakomben des Waldstadions. Brav lobte der Thunder-Coach die cleveren Spielzüge von Galaxy-Trainerfuchs Dick Curl und die gute Football- Stimmung in Frankfurt – als Galaxy-Offense-Trainer durfte er sie selbst letztes Jahr genießen. „Wir haben es etwas spannend gemacht, aber ich glaube, für den Anfang war es ganz gut“, wendete sich Frankfurts „National-Player“ Werner Hippler an seinen feiernden Anhang: „Ich liebe euch alle“.

Galaxy hat die World Bowl in Düsseldorf, die außer den drei deutschen Teams auch die Barcelona Dragons, Scottish Claymores und Amsterdam Admirals erreichen wollen, erneut fest im Visier. Und auch beim Titelverteidiger Rhein Fire können sie es kaum erwarten: Auf Düsseldorfs Konsummeile Königsallee tickt bereits die Countdown-Uhr, die die Stunden bis zum Finale am 27. Juni zählt. Höchst optimistisch, wie es in dieser Branche nicht ganz unüblich ist, gibt sich jedenfalls Galaxy- Headcoach Curl: „Wir wollen die World Bowl gewinnen.“