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■ Nebensachen aus BukarestRumäniens Armee singt Melodien der Marines

Die rumänische Armee will in die Nato. Doch die Nato will nicht. Am fehlenden Kampfesmut der walachischen und transsilvanischen Bauernlümmel kann es nicht liegen. In Nato-Kreisen unvergessen dürfte das große gemeinsame Räuber-und-Gendarm-Spiel auf siebenbürger Wiesen, hochtrabend „Partnerschaft für den Frieden“ genannt, vor drei Jahren sein. Als Bauern zufällig einige martialisch aussehende Nato-Krieger entdeckten, glaubten sie, ihr Vaterland sei überfallen worden und gingen ohne zu zögern mit Heugabeln auf die Eindringlinge los.

Bei allen Heldentaten schneiden die braven Söhne des rumänischen Volkes nie finstere Rambo-Grimassen, sondern bleiben Musterbeispiele des singenden Frohsinns. Nachdem die Sondereinsatztruppen im Februar endlich die rebellierenden Bergarbeiter in die Zechen zurück geprügelt hatten, komponierten die Generäle ihnen ein lustiges Siegeslied: „Grünes Blatt von edlem Stamm / Ich bin Gendarm, ein stolzer Mann / Wir sind die Gendarmerie / Schützen die Demokratie.“ Dies Liedchen vereinigt autochtone Folklore mit einem Zugeständnis an die Nato-Integration zu einem grandiosen Kompromiß: Der vaterländische Text wird auf eine Melodie der US- amerikanischen Marines gesungen.

Auch sonst pfeift einem das Trommelfeuer der Reformen in der rumänischen Armee nur so um die Ohren. Von der kürzlich gegründeten sog. „Schnellen Militärpresse-Einsatztruppe“ erfährt man nun ganz offen die ultimativen Reformgeheimnisse. Zum Beispiel die Vorteile des Dracula-Kampfhubschraubers: „Erhöhtes Potential, Überlebensfähigkeit, gute Lufthaltung.“ Der Chor der rumänischen Armee, genannt „Mauerblümchen“, geht auf Freundschaftstournee in die Ukraine. Und Colonel Dr. Grigore Alexandrescu betreibt mystische Reformphilosophie: „Die Militärdoktrin ist nicht die Summe des Denkens, sondern der Weg, wie man denken muß!“

Freilich beträgt die Unterstützung für die Reformen unter allen Armeeangehörigen nur etwa 65 Prozent, wie die „Abteilung Psychosoziale Untersuchungen“ der rumänischen Armee festgestellt hat. Vieles geht also noch schief.

Ihren „Disziplinplan“ konnte die Armee letztes Jahr nicht erfüllen. So gingen laut dem Bericht für 1998 die „Selbstmorde“ nur um 30 Prozent zurück, die „Desertierungen“ nur um 46 Prozent.

Die „Erschießungen“ verringerten sich immerhin um 65 Prozent, die „Todesfälle infolge von Ereignissen“ aber nur um schlappe 33 Prozent. Was solche Ereignisse sein könnten, bleibt allerdings unklar. Möglicherweise verhält es sich wie in dem bekannten Fall einer Kaserne in Südrumänien, deren gesamtes Regiment sich ausschließlich mit dem illegalen Brennen und übermäßigen Konsum von Pflaumenschnaps beschäftigte.

Auch auf einen Luftkrieg ist die rumänische Armee schlecht vorbereitet. Als Journalisten vor einigen Jahren den damaligen Verteidigungsminister fragten, warum der Armee so viele MIGs vom Himmel fallen, entwickelte der Minister sein berühmtes Theorem: „Wir haben MIGs, also stürzen sie ab.“ In gewisser Hinsicht hat sich die Situation gebessert, wie das Verteidigungsministerium aus aktuellem Anlaß feststellte: Von den vierzig Kampfflugzeugen eines westrumänischen Geschwaders sind überhaupt nur noch zwei in der Lage, vom Boden abzuheben. Keno Verseck

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