Gegen wissenschaftlichen Rassismus

■ Neues Buch von Heidrun Kaupen-Haas faßt Ringvorlesung zur Humanbiologie an der Hamburger Universität zusammen

Als eine studentische Arbeitsgruppe 1996 gegen die Vorlesung „Rassenkunde des Menschen“ am Institut für Humanbiologie der Universität Hamburg protestierte, trat sie eine Kontroverse los, die über zwei Jahre Presse, Bürgerschaft, Wissenschaftsbehörde und Uni beschäftigen sollte. Die „AG gegen Rassenkunde“ zerrte fragwürdige Forschungs- und Lehrinhalte ans Licht. So behauptete etwa Institutsdirektor Rainer Knußmann in einem Lehrbuch, „anomales Sexualverhalten“ habe zum Untergang des alten Rom beigetragen.

Während der Akademische Senat die Vorwürfe des Rassismus und des Biologismus 1998 für „nicht begründet“ erklärte, organisierte die Medizinsoziologin Heidrun Kaupen-Haas eine kritische Ringvorlesung. Die ist jetzt unter dem Titel Wissenschaftlicher Rassismus als Buch erschienen. Einige Beiträge beziehen sich direkt auf das Institut, andere behandeln Themen, die in der Diskussion eine Rolle spielten. Lesenswert sind sie alle. So analysiert die Germanistin Marianne Schuller die Konstruktion von „Normalität“ und „Anormalität“ auch anhand von Knußmanns Buch. Der Biologe Ulrich Kattmann zeigt, daß die Anwendung des Rassenbegriffs ein gesellschaftlicher Vorgang ist. Andere Texte widmen sich der Kriminalbiologie, der NS-Rassenkunde oder Konzepten zur Züchtung des „perfekten“ Menschen.

Deutlich wird, daß es nicht nur um die Spinnereien verkalkter Professoren geht. Grundlegende Fragen stehen zur Debatte. So wiederholen HumanbiologInnen in der Regel gebetsmühlenartig, daß sie Fakten nicht ignorieren dürften und daß „seriöse“ Forschung nichts mit Rassismus und Sexismus zu tun habe. Die von Kaupen-Haas versammelten AutorInnen zeigen dagegen auf, daß Begriffe nie wertfrei sind und Rassismus keine „wissenschaftsferne Denk- und Handlungsfigur“ ist. Vielmehr haben Teile der institutionalisierten Wissenschaft nicht selten zu rassistischer Ideologie beigetragen. Die Rassenkundler im Dritten Reich waren wissenschaftlich auf der Höhe ihrer Zeit. Und selbst SS-Arzt Josef Mengele war so gesehen kein wahnsinniger Sadist, sondern ein aufstrebender Nachwuchsforscher.

Jakob Michelsen

Heidrun Kaupen-Haas/Christian Saller (Hg.): Wissenschaftlicher Rassismus. Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften, Campus Verlag 1999, 451 Seiten, 39,80 DM.