Sero am seidenen Faden

Gläubiger und Eigentümer uneinig über Sanierungskonzept. Überleben der Entsorgungsfirma bleibt unsicher  ■   Von Marcus Franken

Berlin (taz) – Die Zukunft der Sero Entsorgung AG bleibt ungewiß. Die Gläubigerbanken und Alteigentümer konnten sich auf einem Treffen vergangene Woche nicht auf ein gemeinsames Sanierungskonzept für das angeschlagene Entsorgungsunternehmen einigen. „Das Damoklesschwert der finanziellen Altlasten hängt weiter über Sero“, resümiert Sero-Vorstand Hans Peter Döhmen.

Die Berliner Sero AG gehörte einst zu den Lieblingen ökologisch orientierter Aktienanleger. Als einzige börsennotierte Firma in den Geschäftsfeldern Abfallrecycling und -entsorgung glänzte Sero immer wieder mit Öko-Versprechen und ständig steigenden Umsätzen, über die sich manche Fachleute in der sonst rückläufigen Abfallbranche nur wunderten. Noch Ende des vergangenen Jahres hatte das Unternehmen eine hohe Dividende angekündigt. Gleichzeitig kursierten Gerüchte um Dumpinglöhne, überzogene Öko-Versprechen und Nähe der Sero-Eigentümer und des Sero-Geschäftsführers zu Scientology.

Dann platzte die Sero-Seifenblase: Im vergangenen Dezember nahmen Staatsanwälte Eigentümer und Geschäftsführer wegen Betrugs fest. Die hohen Umsätze, so hatten sie festgestellt, beruhten auf Scheingeschäften zwischen der Sero und anderen Unternehmen der Muttergesellschaft Euro Waste Service AG (EWS), einer Holding mit Sitz in Dülmen. Die Unternehmen hatten sich gegenseitig Rechnung über nie erbrachte Leistungen ausgestellt und so die Umsätze erhöht. Der Trick half, die Aktienkurse steigen zu lassen und das Kreditvolumen bei den Banken zu erhöhen.

Fraglich ist, warum die Banken, die Sero im April 1997 an die Börse brachten, den Betrug nicht merkten. Auch die Wirtschaftsprüfer, welche die jährlichen Berichte von Aktiengesellschaften prüfen müssen, machen keine glückliche Figur: „Die Wirtschaftsprüfer haben gewisse Berufsstandards nicht ausgelebt“, sagt der neue Sero-Chef Hans Peter Döhme sarkastisch. „Sie haben nicht so gründlich geprüft wie nötig. Das Thema ist noch nicht durch.“ Entschuldigend führt er an: „Die alten Geschäftsführer haben ein hohes Maß an krimineller Energie aufgebracht und den Kreis der Eingeweihten klein gehalten.“

Die ökologischen Anleger wird das kaum trösten. Der Sero-Kurs ist seit der Veröffentlichung des Betrugs von über 30 Euro auf gestern mittag gerade mal 6,35 Euro gefallen. Auch die Verwalter von Öko-Fonds müssen sich daher fragen lassen, warum sie nicht kritischer gegenüber Sero waren.

Die jetzt eingeleitete Sanierung der Sero bringt harte Einschnitte. Die betrügerischen Alteigentümer haben ihre Anteile am Unternehmen an Treuhänder übergeben und sollen bei bei der Sanierung keine Rolle mehr spielen. Das unprofitable Recycling von Elektronikschrott soll eingestellt werden, vier Sero-Niederlassungen in Westdeutschland und eine bei Eisenhüttenstadt werden geschlossen. Von den 711 Sero-Mitarbeitern müssen 259 gehen, für sie steht ein Sozialplan bereit. Die 30 GmbHs, aus welchen die Sero AG besteht, sollen zu 15 zusammengelegt werden. Die Gläubiger, darunter Deutsche und Dresdner Bank, verzichten auf die Rückzahlung von Schulden in Höhe von 23 Millionen Mark. Mit diesen Veränderungen will die Geschäftsführung die „neue“ Sero bis Mitte dieses Jahres auf ein „solides Fundament“ stellen, sagt Döhmen. Im Geschäftsjahr 1999/2000 will Döhmen wieder schwarze Zahlen schreiben.

Doch noch droht der Zwangskonkurs, der Mutterkonzern EWS hat Schulden in Höhe von etwa 900 Millionen Mark angehäuft. Die Banken sollen bereit sein, das Unternehmen vorübergehend zu übernehmen und die Kapitaldecke der Sero mit neuem Geld aufzubessern. So könnten die Banken nicht nur einen Teil ihrer Kredite retten, sondern auch das verspielte Vertrauen der Kleinanleger zurückgewinnen.

Die Dresdner Bank etwa hatte geholfen, Sero an die Börse zu bringen, und ihren Kunden empfohlen, die Aktie zu kaufen. Bei dem heutigen Kurs hätten die Anleger mehr als die Hälfte gegenüber dem Ausgabekurs von rund 15 verloren. „Gegen zielgerichtete, gutgemachte Täuschungsmanöver, die mit krimineller Energie umgesetzt werden, sind auch Banken letztlich nicht gefeit“, begründet Claudia M. Bresgen von der Dresdner Bank das Versagen.

Die Aktionäre würden es allerdings vorziehen, daß ein unbelasteter Großaktionär EWS und Sero dauerhaft übernimmt. Die Entscheidung soll bis Ende April fallen. Sollten Banken und Aktionäre sich nicht eingen können, droht Sero das endgültige Aus.