Männerfreunde ehren sich

■ Nostalgischer Rückblick auf vergleichsweise sorglose Zeiten: Bill Clinton überreichte Altkanzler Helmut Kohl gestern die Medal of Freedom, Amerikas höchste Auszeichnung

Washington (taz) – Wenn sonst Helmut Kohl nach Washington kam und seinen Freund Bill Clinton besuchte, stand meist auch ein Ausflug nach Georgetown auf dem Programm, wo die beiden Staatsmänner in einem italienischen Restaurant essen gingen. Begleitet wurden sie dabei nur von ihren engsten Beratern. Ein Wachmann draußen vor der Tür soll einmal gesagt haben, da könne man jetzt nicht rein, da fliegen Nudeln mit Sauce durch den Raum. Diesmal ging es förmlicher zu. In einer feierlichen Zeremonie im Weißen Haus bekam Helmut Kohl gestern von Bill Clinton die „Medal of Freedom“ verliehen, Amerikas höchste Ehrung.

Die Freundschaft zwischen Clinton und Kohl war für das transatlantische Verhältnis der 90er Jahre, was das Verhältnis von Ronald Reagan zu Maggie Thatcher in den 80ern war. Die Männerfreundschaft zwischen Bill und Helmut setzte dabei eine eigenartige Tradition fort. Obwohl man die demokratische Partei der USA eher mit der Sozialdemokratie vergleichen kann, verstanden sich Amerikas demokratische Präsidenten meist besser mit ihren konservativen Counterparts – und umgekehrt. Adenauer verstand sich zu seinem eigenen Erstaunen bestens mit Kennedy, Schmidt kam mit Reagan besser aus als mit Carter. Der Globalisierer Clinton traf sich mit dem Europäer Kohl.

Clinton sieht – wie seine Vorgänger auch – in der europäischen Einigung eher eine Chance für die Ausweitung des Handels als eine Bedrohung durch einen konkurrierenden Wirtschaftsblock. Er befürchtet – ebensowenig wie sein Vorgänger Bush – keine deutsche Dominanz in Europa. Im Gegenteil, Deutschland gilt als verläßlichster Partner auf dem Kontinent. Diese Partnerschaft bewährte sich auch im Privaten. Kohl hielt Clinton auf dem Gipfel des Lewinsky-Skandals die Treue. Durchhalten und nicht unterkriegen lassen, war die Message eines Briefes, den Kohl im letzten Sommer an den Präsidenten schrieb. Und in der Tat scheint Clinton wenigstens das von Kohl gelernt zu haben: Aussitzen ist oft die beste Lösung eines politischen Problems.

Was wird aus den deutsch-amerikanischen Beziehungen werden, jetzt, da der Sozialdemokrat Gerhard Schröder Kanzler ist? Die Sorge war anfänglich größer als die, wie die Amerikaner mit dem Grünen Fischer zurechtkommen würden. „Sie mögen sich“, stellte ein Begleiter Schröders nach dem ersten Besuch bei Clinton, kurz vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr, erleichtert fest.

Nostalgisch dürfte die Begegnung Kohl-Clinton gleichwohl sein, nicht nur der gegenseitigen Sympathie wegen. Mit der Kosovo-Krise verglichen, ist der Lewinsky-Skandal ein kleiner Fisch. Kohls Rat als Staatsmann scheint auch heute noch geschätzt zu sein. Außer mit Clinton traf sich der Altbundeskanzler mit Amerikas Verteidigungsminister William Cohen sowie mit den Senatoren Richard Lugar, Joseph Biden und William Roth – alle drei gehören zu der rar gewordenen Spezies amerikanischer Parlamentarier, die sich für Europa interessieren. Deren Unterstützung wird Clinton brauchen, um aus dem Kosovo-Schlamassel herauszukommen.

Kohl reist nach New York weiter, wo er am 22. April eine weitere Auszeichnung bekommt. Er wird als Staatsmann des Jahrzehnts geehrt. Peter Tautfest