Albanien bittet Osteuropabank um Hilfe

■ Kriegsanrainerstaaten fordern auf Jahrestagung finanzielle Unterstützung. Jugoslawien war der größte Handelspartner

Berlin (taz) – Eigentlich sollte der Fokus der achten Jahrestagung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in London allein auf die russische Wirtschaftskrise gerichtet sein, aber auch bis dorthin reicht der Arm des Krieges. Die Kriegsanrainerstaaten, allen voran Albanien, baten die Bank, den größten Einzelinvestor in den osteuropäischen Staaten, um finanzielle Hilfe. Die Gelegenheit ist günstig, da sich auf Jahrestreffen der Entwicklungsbanken wie der EBRD in der Regel hochpotente Finanziers, Vertreter anderer Entwicklungsbanken und staatliche Repräsentanten der – in diesem Fall 58 – Mitgliedsländern einfinden.

Besonders Albanien braucht, um die 300.000 Flüchtlinge im Land zu versorgen, dringend Hilfe. Bisher hat das Land von der EU 100 Millionen Dollar zugesagt bekommen sowie von der Weltbank einen 30-Millionen-Dollar-Kredit zu besonders günstigen Konditionen. Die Weltbank stellte Verhandlungen über einen weiteren 40-Millionen-Dollar-Kredit in Aussicht.

Diese Finanzspritzen reichen aber nach Angaben der albanischen Wirtschaftsministerin Ermelinda Meksi nicht aus. Man benötige Budgethilfen in Höhe von 600 Millionen Dollar, sagte sie gestern auf der Tagung. Ob die EBRD als Finanzier der richtige Ansprechpartner ist, ist fraglich. Für die geforderte Budgethilfe und humanitäre Hilfe ist sie nicht ausgerüstet, ihre Kredite gehen in der Regel zu marktüblichen Konditionen an die Empfänger.

Bisher hat die Bank in Albanien, Makedonien und Bosnien-Herzegowina 24 Projekte in Höhe von insgesamt rund 500 Millionen Mark finanziert und dabei Kofinanzierungen und technische Hilfen von einer Milliarde Mark bei anderen Finanziers akquiriert. Die Projekte umfaßten Investitionen in Infrastruktur, Privatunternehmen und lokalen Banken. Angesichts der „furchtbaren Tragödie“ sieht sich die EBRD in der Verantwortung für eine Unterstützung. „Wir werden alles tun, um diese Projekte zu sichern und Vorkehrungen treffen, um zu dem Wiederaufbau nach der Krise beizutragen“, sagte ihr Präsident Horst Köhler auf der Jahrestagung.

Inwieweit im Kosovo geholfen werden kann, hängt laut Köhler von der politischen Entwicklung ab – Serbien und Montenegro sind bisher weder eines der 26 Empfängerländer der EBRD noch von IWF und Weltbank. Der Ausschluß aus diesen Institutionen war laut Financial Times Bestandteil des Dayton Abkommens von 1995, um über diese finanzielle Sanktion Belgrad zu Reformen im Kosovo zu zwingen.

Die bisherigen wirtschaftlichen Erwartungen für die Balkanstaaten sind mit dem Krieg Makulatur. Im vergangenen Jahr entwickelten sich trotz aller Krisen Wirtschaft und Direktinvestitionen positiv. Albanien erwartet laut Meksi trotz der aktuellen Belastungen eine Wachstumrate von 10 Prozent. Wirtschaftliche Probleme kommen aber auf die Kriegsanrainerstaaten nicht nur durch die Flüchtlinge zu, sondern auch im Handel: Jugoslawien war Haupthandelspartner. Transport- bzw. Exportwege sind nun durch die Bombardierungen zerstört, Kroatien verzeichnet Rückgänge im gerade wieder aufblühendenTourismus.

Die Osteuropabank trifft diese Krise in ihren Empfängerländern in einem empfindlichen Moment. Zum ersten Mal seit ihrer Gründung hat sie durch die Wirtschaftsprobleme in Rußland einen Verlust von 511 Millionen Mark zu verzeichnen. Trotzdem will sie sich laut Präsident Köhler nicht aus Rußland zurückziehen. Köhler forderte allerding zu massiven Reformen vor allem im Bankensektor auf. Maike Rademaker