USA wollen Milosevic den Ölhahn zudrehen

■  Washington dringt auf eine Seeblockade Jugoslawiens. UNO-Generalsekretär Annan will zu Beratungen über Kosovo nach Moskau reisen. OSZE berichtet von schwersten Menschenrechtsverletzungen im Kosovo. Rußlands Patriarch Alexij II. zelebriert Messe in Belgrad

Da die mehrwöchigen Nato-Luftangriffe bisher nicht den gewünschten Erfolg haben, wollen die USA Jugoslawiens Präsidenten Slobodan Miloevic jetzt wirtschaftlich in die Knie zwingen. Dazu dringt Washington nunmehr auf eine umfassende Seeblockade Jugoslawiens, um den serbischen Streitkräften die Treibstoffzufuhr abzuschneiden. US-Außenministerin Madeleine Albright habe in dieser Angelegenheit bereits mit den Bündnispartnern gesprochen, die USA erwarteten deren Zustimmung bis zum Wochenende, teilte der Sprecher des US-Außenministeriums, James Rubin, mit.

Frankreich bezeichnete die US-Vorschläge für eine Seeblockade als „wenig ausgearbeitet“. In einem Interview des Figaro erklärte der französische Außenminister Hubert Vedrine: „Es gibt beim Ziel keine Uneinigkeit, doch man braucht dafür eine solide juristische Basis.“ Die existiere aber zur Zeit nicht.

Unterdessen hat Rußlands Präsident Boris Jelzin gestern einen Bruch mit dem Westen über den Kosovo-Konflikt ausgeschlossen. Jelzin habe bei einem Treffen mit Gouverneuren gesagt, Rußland könne die Beziehungen „mit führenden Weltmächten nicht abbrechen“, sagte Präsidentensprecher Dimitri Jakuschkin. Jelzin hatte am Montag erstmals seit Beginn der Militärschläge wieder mit US-Präsident Clinton telefoniert. Anschließend zeigte sich die US-Administration nach Information der New York Times zuversichtlicher über ein mögliches gemeinsames Vorgehen zur Lösung des Kosovo-Konflikts.

Auch die UNO und Rußland verstärkten gestern ihre Bemühungen um eine diplomatische Lösung. UNO-Generalsekretär Kofi Annan kündigte für Donnerstag kommender Woche einen Besuch in Rußland an. Annan sagte am Montag abend in New York, Rußland habe ihn zu Gesprächen über die Kosovo-Krise eingeladen. Rußland habe in der Vergangenheit eine konstruktive Rolle in den Bemühungen um eine politische Lösung des Konflikts gespielt. Er hoffe, in Moskau dabei mitwirken zu können, daß Rußland diese Rolle weiterspielen könne.

Der britische Premierminister Tony Blair und Nato-Generalsekretär Javier Solana betonten die Entschlossenheit und Einheit der Allianz im Kosovo-Konflikt. Die Nato werde ihre Angriffe in Jugoslawien solange fortsetzen, bis Präsident Slobodan Miloevic einlenke, sagte Blair gestern in Brüssel. Solana betonte: „Die Allianz ist entschlossen, Erfolg zu haben und bis zum Ende fest zu bleiben.“

Im Kosovo wurden auch gestern vormittag wieder militärisch wichtige Anlagen bombardiert. Die amtliche jugoslawische Nachrichtenagentur Tanjug berichtete von fünf starken Detonationen wenige Kilometer von der Provinzhauptstadt Pritina entfernt. Dabei sei ein Zivilist getötet worden. In der Nacht seien 20 Ziele bei Angriffen gegen Treibstofflager, Sendeanlagen und Stellungen der jugoslawischen Armee in Jugoslawien bombardiert worden, hieß es.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berichtete von „schwersten Menschenrechtsverletzungen“ durch serbische Einheiten im Kosovo. Albanern seien die Kehlen durchgeschnitten, die Augen ausgestochen sowie Nasen, Finger, Hände und Füße abgeschnitten worden. Es gebe auch häufige Berichte, daß Serben ihren albanischen Opfern nationalistische Symbole in die Brust oder auf die Stirn geritzt hätten.

In Belgrad besuchten gestern Tausende Serben eine Messe des Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, Alexij II. Der Patriarch war zu einem eintägigen Besuch in die jugoslawische Hauptstadt gereist, um seine Solidarität mit dem ebenfalls orthodoxen Serbien zu demonstrieren. dpa, rtr, AP, taz