In der Wojwodina geht bei den Ungarn die Angst um

■ Nato-Bomben auf Nordserbien fordern ungarische Minderheit zum Protest heraus

Wegen der massiven Bombardements in der nordserbischen Region Wojwodina, in der etwa 350.000 Ungarn leben, gerät die ungarische Regierung zunehmend unter Druck. Sie ist vor allem verärgert über das massive Bombardement der nordserbischen Stadt Subotica Ende vergangener Woche, bei der versehentlich auch mehrere zivile Objekte getroffen wurden, und verlangt deshalb nun eine Erklärung von der Nato.

Ungarn hatte bereits zu Beginn der Angriffe im Nato-Rat darum gebeten, daß in der Wojwodina nur wenige Ziele bombardiert würden. Bereits im letzten Herbst, als die Nato erste Pläne für einen zukünftigen Angriff auf Jugoslawien machte, versicherte die national-konservative Regierung in Budapest öffentlich, daß die Nato die Wojwodina von Bombardements weitgehend ausnehmen werde.

Nachdem jedoch zunächst Novi Sad und dann das nur wenige Kilometer von der ungarischen Grenze entfernte Subotica bombardiert wurden, steht die ungarische Regierung unter Erklärungsnotstand. Denn sie will eine Schutzrolle für die Wojwodina-Ungarn spielen und muß sich aber vor der eigenen Öffentlichkeit rechtfertigen, vor allem den Ungarn im südlichen Landesteil, wo viele Menschen verwandtschaftliche, geschäftliche oder kulturelle Beziehungen zu den Ungarn auf der serbischen Seite pflegen.

Vertreter der Wojwodina-Ungarn äußerten sich am Wochenende entsetzt über die Bombardierung der Wojwodina. Jozsef Kasza, Bürgermeister von Subotica und Vorsitzender des „Verbandes der Ungarn in der Wojwodina“ (VMSZ), der größten Organisation der Wojwodina-Ungarn, protestierte in einem Brief an die Nato und die ungarische Regierung gegen die Bombardements. Subotica sei ein Modell für das jahrhundertelange Zusammenleben vieler Minderheiten, schreibt Jozsef Kasza. Die Stadt stelle ein Zentrum der Opposition gegen Miloevic dar. Deshalb verdiene sie es nicht, bombardiert zu werden.

Bereits kurz nach dem Beginn des Nato-Angriffs auf Serbien kritisierte der VMSZ-Vorsitzende Jozsef Kasza Äußerungen des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban zur ungarischen Minderheit in der Wojwodina als „unverantwortlich und unverständlich“. Viktor Orban hatte Ungarns Nato-Mitgliedschaft als Schutz für die Wojwodina-Ungarn bezeichnet und serbische Behörden gewarnt, Ungarn aus der Wojwodina zum Militärdienst in das Kosovo einzuziehen. Der VMSZ fürchtet, daß solche Äußerungen serbische Repressionen gegen die ungarische Minderheit nach sich ziehen.

Präzedenzfälle haben die Wojwodina-Ungarn erlebt. Bis Ende der achtziger Jahre genossen sie weitreichende Minderheitenrechte. So war Ungarisch neben Albanisch offizielle zweite Amtssprache. Ebenso wie im Kosovo ließ Miloevic 1990 auch die Autonomie in der Wojwodina abschaffen.

Seitdem haben Zehntausende Ungarn die Wojwodina verlassen. Immer mehr fürchten, daß die Wojwodina nach dem Kosovo Ziel von nationalistischer Repression sein wird. Das Vorspiel dazu gab es schon: Als kroatische und bosnische Serben während des Bosnien-Krieges in Massen nach Serbien flüchteten, wurden viele von ihnen in der Wojwodina angesiedelt. Serbische Milizen drohten den Ungarn mit Vertreibung. Die Nato hat auf das Erklärungsverlangen der ungarischen Regierung und auf den Protest des Verbandes der Wojwodina-Ungarn noch nicht geantwortet. Sie hatte ihre Angriffe auf die Wojwodina jedoch damit gerechtfertigt, daß sich dort zahlreiche militärische Objekte und ein bedeutender Teil der Infrastruktur befänden. So etwa müßten Radarstationen, Kasernen, die Ölraffinerie in Novi Sad, Donau-Brücken und Telekommunikationsknotenpunkte zerstört werden. Außerdem dürfe Serbien nicht den Eindruck haben, daß es irgendwo ein sicheres Hinterland gebe.

Keno Verseck, Bukarest