Kommentar
: Der neue Meister Proper

■ Werthebach vergißt die Menschlichkeit

Der Mann der feinen Töne mit den harten Zielen versucht erneut, durch die Hintertür zum Ziel zu gelangen. Der Unterschied zu seinem Vorgänger Jörg Schönbohm ist lediglich, daß Werthebach es bislang immer verstanden hat, seine Forderungen nicht so lustvoll polternd zu formulieren wie Schönbohm. Doch jetzt hat auch er die Dreckkarte gezogen: Im Wahlkampfgetöse versucht er, Stimmung gegen die Integration von Ausländern zu machen.

Dabei geht es ihm nicht nur um die weitere Verschärfung des Ausländerrechts für bestimmte Gruppen, vor allem die Türken, sondern er weist schon mal vorsorglich, sozusagen im vorauseilenden Gehorsam der eigenen „sauberen“ Gesinnung darauf hin, daß Berlin von einer Flüchtlingswelle überrannt werden wird. Das ist allein schon angesichts der Zahlen eine haltlose Behauptung, und es ist im Angesicht des Leides, das den Flüchtlingen widerfährt, ein kaltes zynisches Unterfangen.

Bei den Kriegswirren in Bosnien trafen 1992/93 in ganz Deutschland rund 300.000 Kriegsflüchtlinge ein, Berlin nahm davon rund 33.000 auf. Jetzt hat Deutschland 10.000 Flüchtlinge aufgenommen, davon kamen 220 nach Berlin. Sie wurden nicht dezentral sondern in drei großen Heimen, in Hohenschönhausen, Marzahn und Hellerdsdorf untergebracht. Hätte man sie auf alle Bezirke aufgeteilt, wären es zehn Menschen pro Stadtteil gewesen. Zehn Menschen, denen man in seinem Umfeld hätte helfen können.

Aber derartig einfache Nächstenliebe scheint Werthebach gänzlich fern zu sein. Er macht lieber Stimmung gegen diese wenigen und gegen die, die möglicherweise, nur möglicherweise, noch kommen könnten. Für ihn ist das Boot offenbar schon wieder voll. So eine Politik schmückt niemanden, keinen Menschen, kein Dorf und erst recht nicht eine Metropole wie Berlin. Selbst in München, der Landeshauptstadt des CSU-regierten Bayern, leben 21 Prozent Ausländer, Berlin kommt gerade mal auf 14 Prozent.

Allerdings ist zu hoffen, daß Werthebach dieses Mal die Rechnung ohne das Volk gemacht hat. Das füllt das Wort Menschlichkeit gerade mit klingender Münze und spendet so viel wie lange nicht mehr. Annette Rollmann