Ein Kessel Buntes rund um den Kosovo-Krieg

■ Eigentlich wollte die CDU in Berlin-Zehlendorf mit Ignatz Bubis über die christlich-jüdischen Beziehungen diskutieren, doch der wollte am Mittwoch lieber darüber reden, was sonst so bewegt

Brisantes Thema, prominenter Gast – und trotzdem waren die Plätze in der Aula der Zehlendorfer Schadow-Oberschule, in die der Kreisvorsitzende der CDU, Uwe Lehmann-Brauns, am Mittwoch abend eingeladen hatte, nur zu ungefähr einem Drittel besetzt. Woran lag's? Angekündigt war eine Debatte über die „christlich-jüdischen Beziehungen nach Mahnmalsdiskussion und Walsers Friedenspreisrede“ mit Ignatz Bubis, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Doch irgendwas muß schiefgelaufen sein in den Tagen vor der Veranstaltung. Vielleicht hatten die Organisatoren plötzlich Angst vor der eigenen Courage, vielleicht auch wollte man den gerade von einer Operation genesenen Bubis nicht allzu sehr strapazieren. Jedenfalls hatten sich die Beteiligten offenbar kurzfristig über eine Änderung des Programms verständigt. Von einer Analyse der „christlich-jüdischen Beziehungen“ keine Rede, statt dessen referierte der Ehrengast aus Frankfurt/Main über das, was sonst noch bewegt in dieser Zeit. Heraus kam ein Kessel Buntes: der Umzug des Zentralrats von Bonn nach Berlin, der Krieg im Kosovo, das Holocaust-Mahnmal und die Frage, ob man es denn wirklich braucht.

Für Ignatz Bubis war es eine der leichteren Übungen. Freude über die Rückkehr des Zentralrats an den Ort, an dem der letzte Rabbiner Leo Baeck arbeitete, freilich untrennbar vermengt mit Trauer über den 1942 Deportierten und in Theresienstadt Ermordeten. Es folgte Nachdenkliches zum Kosovo-Krieg: Einerseits, so Bubis, müßten die Deutschen zu ihrer Verantwortung stehen, humanitäre Katastrophen verhindern zu helfen. Andererseits hätten Bomben nun mal „keinen Spürsinn, zwischen Guten und Bösen zu unterscheiden“. Ein Dilemma also, das ihm „erhebliche Bauchschmerzen“ bereite. Kein Widerspruch im Saal: Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner konnte sich an diesem Abend wohl jeder einigen.

Da in Berlin inzwischen Wahlkampf ist, ging es auch um Koalitionen. FDP-Mitglied Bubis machte dabei kein Hehl aus seinen Präferenzen. In seiner Partei gebe es zwar „eine kleine Gruppe“, die mit der SPD zusammengehen wolle, für den Rest aber sei die Sache klar – die Anwesenden CDUler im Publikum vernahmen's mit Zufriedenheit. Einer „Ampelkoalition“ mit SPD und Grünen erteilte Bubis eine deutliche Absage. Was das Holocaust-Mahnmal betrifft, so zeigte sich Bubis standhaft und tat, was er seit Jahren tut: Er verweigerte jeden Kommentar. Nicht er habe darüber zu befinden, sondern „die Deutschen“, die sich endlich entscheiden müßten, ob sie es wollten oder nicht – und wenn, dann sollten sie es „in Würde“ über die Bühne bringen.

Nur einmal entsprach Bubis nicht dem Konsens. Für die Aktionen der CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft habe er überhaupt kein Verständnis. In Frankfurt hätten Passanten gefragt, wo sie „gegen die Ausländer“ unterschreiben könnten. Das gehe entschieden zu weit. Kurze, aber auch nur kurze Betroffenheit im Auditorium. Am Ende ergriff Lehmann-Brauns das Wort, dankte Bubis für sein Kommen und meinte, man habe ihn heute als eine „zutiefst menschliche Persönlichkeit“ kennengelernt. Fragt sich: Was hatte er anderes erwartet?

Ulrich Clewing