Absurdes Theater als Überlebensstrategie

■ Italiens Regierung D'Alema mogelt sich um eine klare Linie zum Krieg herum, denn eine offene Diskussion könnte die Koalition gefährden. Auch das Volk ist gespalten

Für das derzeitige Verhalten ihrer Regierung haben die Italiener einen schönen Ausdruck parat: Salto di quaglia, Wachtelgehüpfe. So, wie der kleine graue Vogel mal hierhin ruckelt, mal dorthin, ohne klare Linie und wirkliche Flugmanöver, verlautbart die Administration am Morgen die eine Version über die Absichten im Kosovo-Krieg und am späten Vormittag eine neue. Da spricht sich Regierungschef Massimo D'Alema beim montäglichen Pressebriefing „uneingeschränkt für eine Feuerpause und Verhandlungslösung“ aus, um am Abend markig den Waffeneinsatz seiner Kampfflieger über dem Kriegsgebiet bekanntzugeben – was in der Nacht dann allerdings wiederum zu einer „reinen Notwehrmaßnahme aufgrund eines Angriffs auf unsere Maschine“ heruntergespielt wird und am nächsten Tag gar nicht mehr feststellbar ist, weil man angeblich nur ein paar Maschinengewehrsalven irgendwohin abgefeuert hat.

Was klingt wie absurdes Theater Marke Pirandello, ist jedoch wohl die einzige Überlebenschance des Kabinetts D'Alema. Darin nämlich sitzen zu einem guten Drittel ausgesprochene Gegner von Nato und Militäreinsätzen. Zu zwei Dritteln besteht die Regierung aus typischen „Jein“-Befürwortern der Angriffe, die ihre Hauptabsicht je nach Gesprächspartner ausrichten. Rücken US-Politiker an, sind sie natürlich für die „linia di fermezza“, die harte Linie – ein Ausdruck aus der Zeit des Kampfes gegen den Linksterrorismus. Fordert dagegen Michele Santoro, Leiter der populären Politshow „Moby Dick“, live aus Belgrad die Verantwortlichen zu Stellungnahmen auf, will's wieder mal keiner gewesen sein. Selbst der Volksliebling Antonio Di Pietro, Ex-Strafermittler in Sachen Korruption, seit einem Jahr für die regierenden Linksdemokraten im Senat und als Angriffs-Hardliner profiliert, kommt ins Stottern, wenn er sagen soll, warum denn ein souveräner Staat – wie in Rambouillet gefordert – Nato-Truppen auf seinem Territorium zulassen soll und warum Italien nicht für eine weniger aggressive „Friedenstruppe“ werben sollte. Im Krieg werde halt gebombt, meint er, und wenn schon mal Zivilisten umkommen – „pazienza“ (eine Art italienisches „sorry“).

Den Zickzackkurs zwingen sich Italiens Regierende wechselseitig selbst auf. Grüne und die nach dem Sturz Romano Prodis in der Koalition verbliebenen „Italienischen Kommunisten“ stehen seit Anbeginn mit einem Bein draußen – und schwingen das andere drinnen so heftig, daß jede aus italienischen Maschinen gefeuerte Kugel die Regierung auseinanderbrechen lassen kann, vom Einsatz der Bodentruppen ganz zu schweigen. D'Alema wäre die Störenfriede einerseits gerne los, denn Clinton, Schröder und Blair fragen ihn bei ihren Anrufen immer wieder, warum er die Bengels nicht zur Räson bringt. Andererseits aber bietet deren Widerstand ihm gute Begründungen für jede Schlingerei, und so genau weiß er ja auch nicht, was denn seine Italiener am nächsten Tag hören wollen.

Die nämlich fürchten nun doch immer mehr, daß ihre Lage direkt beim Kriegsgeschehen eines Tages fatal sein könnte. So versucht D'Alema denn, den Bruch mit seinen regierungsinternen Kriegsgegnern mit wolkigen Formulierungen zu vermeiden. Meist rechnet er dabei den Chefs der beiden Antikriegspartner, Armando Cossutta (KP) und Luigi Marconi (Grüne), vor, daß sie, einmal aus der Regierung und der Koalition, überhaupt keinen Einfluß mehr auf das Geschehen hätten. Dann nämlich, so D'Alema, ergebe sich zwangsläufig eine „unheilige Allianz mit der Rechten“.

Das allerdings ist gar nicht so ausgemacht, wie der Regierungschef weismachen will. Zwar hat die Rechte, vor allem die vom Neofaschismus herkommende Nationale Allianz, volle Unterstützung für die Angriffe erklärt; doch die wesentlich unschlüssigere Forza Italia Silvio Berlusconis ringt sich allenfalls zu einem gemurmelten „Wir müssen der Nato die Treue halten“ durch. Zudem wissen die Rechten, daß eine Große Koalition ihnen nicht viel nützen, die zerrissene Linke aber aus ihrem Kriegsdilemma befreien würde. Keine gute Perspektive in Zeiten, wo man den Europawahlkampf vor sich hat und darauf hofft, das Wahldebakel von 1996 und den überraschenden Sieg der Linken endlich vergessen zu machen. Und auch nicht sonderlich komfortabel im Hinblick auf die anstehende Neuwahl des Staatspräsidenten: Im Falle einer Großen Koalition müßte man da natürlich alle Reibungen vermeiden. Es führte dann wohl kaum ein Weg daran vorbei, den derzeitigen Inhaber des Amts, Oscar Luigi Scalfaro, wenigstens noch für eine Übergangszeit zu bestätigen. Genau das will die Opposition ganz und gar nicht: Sie möchte dem Volk vorführen, wie wenig konsensfähig die Linke derzeit ist.

So zausen sich die Regierenden lieber weiter, hoffen auf ein Wunder und Ereignisse, die das Interesse der Öffentlichkeit vom Durcheinander in Sachen Krieg ablenken. Eines dieser Wunder ist tatsächlich schon angekündigt: Anfang Mai wird Francesco Forgone, der unter dem Namen Padre Pio bereits zu Lebzeiten durch die Wundmale Christi an seinen Händen und viele fromme Taten zur Legende wurde, seliggesprochen. Und da werden der Petersplatz und Padre Pios letzte Wirkungsstätte am Gargano tagelang im Mittelpunkt stehen – und nicht der Regierungssitz Palazzo Chigi. Werner Raith, Rom