Kein Kuscheln, kein Kuschen

Für Fischer oder gegen Nato? Hamburgs Grüne müssen sich am Sonntag zwischen zwei unvereinbaren Positionen entscheiden  ■ Von Sven-Michael Veit

Die Zeitpunkt für Kompromisse scheint vorbei zu sein. Seit gestern liegen zwei gegensätzliche Anträge zum Krieg in Jugoslawien für die Mitgliederversammlung (MV) der Grün-Alternativen Liste (GAL) am Sonntag auf dem Tisch. „Es wird keine kuschelweiche Lösung geben“, prophezeit die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der GAL, Heike Sudmann.

Sie und der Eimsbüttler Sprecher der grünen Anti-Kriegs-Initiative (AKI), Ulrich Cremer, stellten gestern einen Antrag für die MV vor, der „die sofortige und bedingungslose Beendigung aller Nato-Luftangriffe und aller Nato-Planungen für den Bodenkrieg“ in Jugoslawien fordert. Die grüne Bundespartei und die grünen Mitglieder der Bonner Regierung sollten der Nato „jede Unterstützung verweigern“. Die Forderung „Schluß mit der brutalen Vertreibungspolitik der Belgrader Regierung“ ziert das Ende des ganzseitigen Papiers.

Ebenfalls gestern veröffentlichten auch Sudmanns Amtskollege Martin Schmidt, die Abgeordnete Christa Goetsch und Parteisprecher Peter Schaar einen Antrag. Die MV solle „den Vorstoß von Außenminister Joschka Fischer und der Bundesregierung für eine auf die UN gestützte Friedenslösung im Kosovo unterstützen“. Bedingungen seien unter anderem der serbische Rückzug aus dem Kosovo und danach die Einstellung der Nato-Luftangriffe in Form eines täglich verlängerbaren jeweils 24stündigen Moratoriums.

Eine Kompromißformulierung zwischen den beiden Anträgen scheint unmöglich zu sein. Die Integrationsbemühungen der Landesvorstands-SprecherInnen Kordula Leites vom linken Flügel und Realo Peter Schaar, die noch am Mittwoch beschworen wurden (taz berichtete), dürften damit gescheitert sein, zumal Schaar nun als Mit-initiator des zweiten Antrages eindeutig Position bezogen hat.

Die Mitgliederversammlung seines Kreisverbandes Wandsbek verabschiedete zudem am Donnerstag abend mit knapper Mehrheit einen Beschluß, der ebenfalls „den Friedensplan der Bundesregierung unterstützt“. Vorige Woche hatten hingegen die grünen Kreisverbände Nord und Bergedorf Positionen verabschiedet, die weitgehend dem Antrag der AKI entsprechen.

Der Wandsbeker Beschluß enthält zugleich einen geradezu beschwörenden „Appell an die GAL“, die „unterschiedlichen Auffassungen intern auszuhalten“ und nicht durch ein Auseinanderbrechen der Partei oder der Bonner Regierung „dem politischen Gegner zu einem schnellen Triumph zu verhelfen“. Das sei, kommentierte Schaar gegenüber der taz, „ein verantwortungsvolles Umgehen“ mit grünen Befindlichkeiten und politischen Notwendigkeiten.

Wie die GAL-MV am Sonntag damit umgehen und welchen Beschluß sie im Hinblick auf die grüne Bundesdelegiertenkonferenz am Himmelfahrtstag in Hagen fassen wird, mag zur Zeit niemand prophezeien. Zwar hoffen beide Seiten auf „eine sachliche und konstruktive Debatte“, aber kuschen will niemand: Am Ende der Hamburger Versammlung werde eine „knappe“ Entscheidung stehen.

Persönliche Konsequenzen – je nach Ergebnis von Linken oder von Realos – dürften dann unvermeidlich sein. Parteiaustritte oder gar die Spaltung der GAL sind aber erst nach Hagen zu erwarten: „Nach Himmelfahrt“, wissen beide Seiten, „wird diese Partei eine andere sein.“