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Integration und Stadtteilkultur

Die Deutsch-Ausländischen Begegnungsstätten in Hamburg haben Probleme  ■ Von Elke Spanner

Sie entstanden in Zeiten der Vollbeschäftigung. Als die Wirtschaft in Deutschland boomte und Arbeitskräfte aus dem Ausland hochwillkommen waren, gründeten sich auch in Hamburg Deutsch-Ausländische Begegnungsstätten. In den vergangenen dreißig Jahren jedoch hat sich die Situation verändert. Wer früher Gastarbeiter war, heißt heute Migrant. Warb die Bundesregierung Ende der 60er Jahre noch mit wirtschaftlichen Verheißungen, so darf heute niemand die Grenze überschreiten, der als „Wirtschaftsflüchtling“ gilt.

Diese Entwicklung beeinflußt auch die Arbeit mit MigrantInnen. Die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) fordert inzwischen neue Konzepte: So soll die Trägerschaft der Deutsch-Ausländischen Begegnungsstätten ab dem Jahr 2000 öffentlich ausgeschrieben werden. Alle zehn Einrichtungen in Hamburg sollen künftig nur noch von drei verschiedenen Trägern betrieben werden.

Schon sprachlich müßten sich die Begegnungsstätten neu orientieren, sagt Peter Wetzel, zuständiger Abteilungsleiter in der BAGS: „Mittlerweile leben viele Aussiedler und Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern oder Afghanistan und dem Iran in Hamburg.“ Brauchten die Begegnungsstätten früher Dolmetscher für Türkisch, Italienisch oder Portugiesisch, so steht heute auch Kroatisch, Russisch oder Farsi auf dem Programm.

„Die meisten Ausländer haben zudem rechtlich eine weit ungünstigere Stellung, als diejenigen, die in den sechziger Jahren kamen.“ Ihre Chancen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt seien denkbar schlecht. Zugleich hätten sich die Bedürfnisse der früheren Gastarbeiter verändert. Aus ehemaligen Fabrik- oder Lagerarbeitern wurden Rentner. Ihre Kinder und Enkel haben den Großteil ihres Lebens in Hamburg verbracht, gelten aber weiterhin als Ausländer.

„Die Problemlagen sind komplexer geworden“, bestätigt Bendix Klingeberg von der „Bürgerinitiative ausländischer Arbeitnehmer“ in Wilhelmsburg. Mittlerweile müßten Deutschkurse auf sehr unterschiedlichem Niveau angeboten werden, vom Kurs für Anfänger bis hin zum Unterricht für berufsspezifisches Vokabular. Zur Sozialberatung kämen viele AusländerInnen, um sich über berufliche Qualifikationsmöglichkeiten zu informieren. Andere wiederum interessieren sich für ihre Rentenansprüche. Auf all diese Erfordernisse hätten sich die Begegnungsstätten in den vergangenen Jahren eingestellt, sagt Klingeberg. „Einigen ist das besser, anderen weniger gut gelungen.“

Mit der Zusammenfassung mehrerer Deutsch-Ausländischer Begegnungsstätten unter ein Dach will die BAGS Geld sparen. 4.271.000 Mark stehen den zehn Häusern derzeit zur Verfügung. Im kommenden Jahr werden es nur noch 3.780.000 Mark sein. Die freien Träger fürchten, daß statt ihrer die großen Wohlfahrtsverbände wie AWO oder Caritas den Zuschlag erhalten. Um gegen sie antreten zu können, wollen sie sich daher zu eigenen Verbänden zusammenschließen.

Die Ausländerinitiative St. Georg, das WIR-Zentrum in Altona und die Begegnungsstätten in St. Pauli und Billstedt wollen sich zusammen um eine künftige Trägerschaft bewerben. Die internationale Frauen-Begegnungsstätte Inci in Altona und der Treffpunkt für Frauen und Mädchen in Wilhelmsburg arbeiten an einem gemeinsamen Konzept, und die Bürgerinitiative für ausländische Arbeitnehmer wird mit ihren Einrichtungen in Wilhelmsburg, Veddel, Harburg und Neuenfelde als Träger für den Bereich Süderelbe antreten.

Sie alle setzen darauf, sich über ihren Stadtteilbezug gegenüber den großen Verbänden durchzusetzen. „Wir sind seit Jahren fest im Stadtteil verankert“, betont Sozialberater Hüseyin Yavuz vom WIR-Zentrum in Altona. Er glaubt daran, auch über den Jahreswechsel hinaus das WIR-Zentrum zu betreiben: „Wir sind immerhin sehr gut.“

Eine Sonderstellung nimmt das Haus für Alle in Eimsbüttel ein. Für die dortige Begegnungsstätte läuft eine gesonderte Ausschreibung und zwar noch für dieses Jahr. Im Dezember mußte der Trägerverein des Hauses Konkurs anmelden. Seither kümmern sich einzelne Personen notdürftig um den Betrieb. Ein Konzept für den Fortbestand des Hauses wurde von ihnen Ende vergangener Woche bei der BAGS eingereicht. Parallel dazu hat auch die AWO ihre Bewerbung angekündigt. „Momentan ist das Haus für Alle ein Stadtteilkulturzentrum“, sagt Ulrich Zuper von der AWO. „Unsere Begegnungsstätte hingegen soll die Integration von Ausländern im Stadtteil fördern.“

Das ebenfalls von der BAGS angesprochene Diakonische Werk lehnte eine Bewerbung ab. „Wir wollen uns da nicht reindrängen“, begründet Diakonie-Sprecherin Katharina Weyandt. Zuper hingegen sieht keine andere Wahl: „Der gesamte Bereich der Migrationsarbeit wird umstrukturiert. Wer sich nicht bewirbt, beschneidet sich in seinen Entwicklungschancen.“

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