Oskar kommt wieder hoch

■  Wichtig war letztlich nur eins: Wie lacht Lafontaine? Beim saarländischen SPD-Parteitag gerieten der Kosovo-Krieg und die Kür des Ministerpräsidentenkandidaten zur reinen Nebensache

Riegelsberg (taz) – Samstag. Tag 44 nach Oskar. Landesparteitag der SPD im Saarland. Oskar Lafontaine kommt zwei Stunden zu spät. Die Beerdigung eines alten Parteifreundes hat ihn aufgehalten. Ein warmer Applaus umschmeichelt ihn in der schmucklosen Riegelsberger Mehrzweckhalle. Ganz selbstverständlich setzt er sich an die Seite seines Nachfolgers im saarländischen Ministerpräsidentenamt, Reinhard Klimmt, und rückt sein Namensschild zurecht. Jeder soll sehen: „Ich bin da.“ Klimmt beißt in seine Bratwurst. Von Lafontaine läßt er sich nicht stören. Die beiden sind gute Freunde, seit Jahrzehnten.

Lafontaine scheint's zufrieden. Er lächelt den Delegierten zu. Für die hitzige Debatte zum Kosovo hat er nur ein Ohr übrig. Marlies Krämer spricht mit voller Leidenschaft gegen den Nato-Einsatz. Sie wird kaum wahrgenommen. Die Fotografen und Kameraleute stellen ihre Linsen scharf auf den Frührentner. Alle warten nur auf ein Zeichen von ihm.

Offiziell ist Lafontaine Delegierter des Ortsvereins St. Johann, dem Hans Ferner vorsitzt. Er kennt „Oskar“ seit den frühen 70ern. Dessen Rücktritt kann er nachvollziehen. Auch die Art und Weise hat ihn nicht sonderlich überrascht. „Er war schon immer etwas Besonderes“, sagt Ferner. Genossin Marion Bredebusch hätte Lafontaine dennoch lieber neben sich sitzen sehen und nicht vorn auf den Präsidiumsbänken. Sie will keine „Sonderbehandlung“ für Lafontaine, der ein einfacher Delegierter wie sie ist.

Herbert Rink vom Ortsverein Berus hat ein gespaltenes Gefühl zu seinem ehemaligen Bundesvorsitzenden. „Der hat die Partei im Stich gelassen.“ Richtig böse aber ist er ihm nicht. Lafontaine habe viel für die SPD und das Saarland getan. „Mehr als die Partei für ihn“, sagt Karl-Heinz Blessing, ehemaliger Bundesgeschäftsführer der SPD. Stehender Applaus durchpeitscht den Saal. Reinhard Klimmt ist soeben mit einem Traumergebnis zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 5. September gewählt worden. Von den 352 Delegierten haben 347 für ihn gestimmt. Lafontaine ist der erste Gratulant. Eine herzliche Umarmung, minutenlanger Beifall. Dann steht Oskar Lafontaine am Mikrophon.

Nichts zum Kosovo, nichts zur Arbeitslosigkeit will er sagen. Er lädt alle ein zur Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 1. Mai in Saarbrücken. Da will er dann mehr erzählen. Lafontaine weiß es spannend zu machen. Blessing: „Da muß sich der DGB überlegen, ob er nicht in ein Fußballstadion geht.“

Lafontaine verteidigt seinen Rücktritt gegen den Vorwurf, „unrühmlich“ gehandelt zu haben. Sagt, daß es neben der Loyalität zum Team, zu Partei und Programm auch eine Loyalität zu „sich selbst und seinen Grundüberzeugungen“ geben müsse. Dann kündigt er an, mit Klimmt „zusammen in den Wahlkampf“ zu gehen. Die Aufgabenverteilung zwischen ihm und dem Ministerpräsidenten sei schon klar: Klimmt bestimme die Tagespolitik und er selbst sei in „allen existentiellen Fragen ansprechbar“. War das der Satz, der sagen soll, Lafontaine bereite sein politisches Comeback vor? Sicher nicht, meint Blessing. Aber genau wisse er auch nicht, was Lafontaine vorhat: „Der Vorhang senkt sich, das Publikum schaut betroffen, alle Fragen bleiben offen. – So geht es mir mit dem Oskar.“

Nach seiner kurzen Rede geht Lafontaine hinunter in die Reihen der Delegierten und Ehrengäste, schüttelt Hände, klopft auf Schultern. Oskar Lafontaine ist wieder mitten unter ihnen. Die Kameras immer im Rücken. Klimmt scheint das nicht zu stören. Von Journalisten begrüßt, fragt er: „Warum sind Sie denn hier?“ „Na ihretwegen, Herr Klimmt.“ Da lacht er. Heute dreht sich alles um seinen ehemaligen Chef. Als sich Oskar Lafontaine vorbeischleicht, zeigt er seinem Freund Reinhard Klimmt eine lange Nase. Thorsten Denkler