Mehrheit trotz Zerrissenheit

■  Grüne Landesverbände stellen sich hinter Außenminister Fischer. Für die Kritiker der Nato-Bomben gilt die Bundesversammlung als Stichtag für einen eventuellen Parteiaustritt

Nürnberg (taz/rtr) – Eine „sofortige, einseitige und befristete Feuerpause und eine Unterbrechung der Luftangriffe der Nato“ sowie eine Unterstützung des Friedensplans von Außenminister Joschka Fischer hat der Landesverband Bayern von Bündnis 90/Die Grünen auf seinem Kleinen Parteitag in Nürnberg mit großer Mehrheit beschlossen.

Zum ersten Mal hat damit eine grüne Basis eine Resolution zum Krieg in Jugoslawien verabschiedet und für die am 13.Mai in Hagen stattfindende Bundesversammlung ein, so Bayerns Grünen-Chef Jerzy Montag, „kleines Signal“ gegeben. Im Gegenzug zur Feuerpause erwarten die Grünen von der jugoslawischen Seite einen sofortigen Stopp der Vertreibungen und Verfolgungen sowie den „nachweislichen Beginn des Rückzugs ihrer Einheiten“. Nur eine Minderheit forderte in Nürnberg einen Rückzug der Grünen aus der Bonner Regierungskoalition.

Die wenigen Gegner ließen sich auch von Ludger Volmer, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Auswärtigen Amt, nicht überzeugen. Unbeirrt von „Kriegstreiber“-Zwischenrufen, bezeichnete Volmer den Nato-Einsatz als „unausweichlich“, auch wenn man jetzt „nüchtern bilanzieren“ müsse, daß die Nato „ihr Kriegsziel nicht erreicht“ habe.

Volmer plädierte für den 5-Punkte-Plan von Joschka Fischer und wandte sich gegen den vor allem von Mitgliedern der „Grünen bayerischen Antikriegsinitiative“ geforderten Rückzug aus der Koalition; „Wer jetzt wegläuft, der verspielt nicht nicht nur die Koalition, sondern das grüne Projekt als ernsthafte Veranstaltung.“ Die Grünen müßten nun den Nachweis führen, „keine Schönwetterpartei zu sein“. Am Ende dieses Prozesses winke dann als Belohnung, „im internationalen Rahmen als politische Kraft ernstgenommen zu werden“.

Dann aber habe die Partei aber ihre „Prinzipien verkauft“, entgegnete Luise Nomayo, Kreisrätin und Kreisvorsitzende aus Neustadt/Waldnaab.

Schon vor dem Kleinen Parteitag waren insgesamt 50 zum Teil auch prominente Mitglieder in Bayern aus den Grünen ausgetreten. „Für uns ist der 13.Mai der Stichtag“, betonte Nomayo. Wenn sich dann die „Kriegsprotagonisten um Fischer, Volmer, Angelika Beer und Rezzo Schlauch“ durchsetzten, müßte man „eben Konsequenzen ziehen“. Sie hofft, daß bis dahin die Minderheit so groß sei, daß es sich die Partei nicht leisten könne, sie zu verlieren.

Die innere Zerrissenheit der Delegierten brachte die 19jährige Gudrun Luchs aus Schweinfurt auf den Punkt. „Ich fühle mich bei meiner Wahl zwischen Pest und Cholera einfach beschissen“, erklärte sie mit tränenerstickter Stimme. „Wir können nur verlieren, denn wir setzen uns über unsere Ideale hinweg.“ Trotzdem votierte auch Luchs für die Resolution, die den grünen Ministern und Abgeordneten Absolution erteilte.

Grünen-Landeschef Montag war mit dem Ergebnis – von den rund 80 Delgierten kamen nur neun Gegenstimmen und zwei Enthaltungen – rundum zufrieden. Er ist nun optimistisch, daß die Debatte nicht zur „Zerreiß-, sondern zur Bewährungsprobe der Partei“ werde. Fast hätte der bayerische Landesvorstand am Ende der Abstimmung über seinen Resolutionsentwurf dennoch eine Niederlage erlitten. Nur äußerst knapp unterlag der Antrag, eine „unbefristete Feuerpause“ zu fordern.

Bereits am Freitag abend hatten die baden-württembergischen Grünen die Politik von Joschka Fischer gutgeheißen. Die rund 200 Delegierten verabschiedeten in Ulm mit großer Mehrheit eine Resolution, in der sie den Friedenplan des Außenministers befürworten. Angereiste Spitzenpolitiker riefen die grüne Basis dazu auf, diese Linie auch auf dem Sonderparteitag zu unterstützen. „laßt uns der Bundesregierung nicht die Tür vor der Nase zumachen“, sagte Vorstandssprecherin Antje Radcke. Ebenso wie in Bayern lehnten die Delegierten den Einsatz von Bodentruppen ausdrücklich ab.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin warnte seine Partei vor einem „Glaubenskrieg“ in der Kosovo-Frage. Dem Magazin Focus sagte er, wenn auf dem Sonderparteitag am 13. Mai nicht mit Respekt vor der jeweils anderen Position debattiert werde, sondern es zu einem „Glaubenskrieg“ komme, dann gehe es um die Existenz der Partei.

Den Verlierern bliebe dann nur noch der Austritt.

Ähnlich äußerte sich auch Kerstin Müller. Die grüne Fraktionssprecherin sagte in Essen, bei dem Sonderparteitag dürfen die Grünen keinesfalls ihre Identität zur Abstimmung stellen. Es dürfe nur um die Frage gehen, „wie kann der Krieg beendet werden, was hilft den Opfern?“ Bernd Siegler ‚/B‘

„Wer jetzt wegläuft , der verspielt nicht nur die Koalition, sondern das grüne Projekt als ernsthafte Veranstaltung.“