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Reise durch die Blutbahn

Ab nach Bremen: Futuristische Großprojekte vom „Science Center“ bis zum „Space Park“ sollen Touristen an die Weser locken  ■ Von Heike Dierbach

Bezugsscheine für Flugreisen waren ja bei den Grünen im vorigen Jahr schon auf der Tagesordnung. Daß die Partei jetzt an der Regierung ist, heißt zwar nicht, daß grüne Ideen umgesetzt werden, aber wer weiß, ob das Flugbenzin nicht bald für andere Zwecke rationiert wird? Da heißt es, sich beizeiten im Nahbereich nach Alternativen zum umweltfeindlichen Kurztrip nach Hongkong umzusehen. Diesen Trend der Zeit erkannt hat die Touristik Zentrale Bremen, die gestern folgerichtig die Hamburger Presse einlud zur Präsentation ihres Konzeptes „Bremen 2000“.

Die Idee, die bis 2005 fünfzig Prozent mehr Übernachtungsgäste in die kleinere Hansestadt ziehen soll, ist schnell umrissen: Größer, schneller, weiter. Gigantomanische Projekte sollen die mittelalterliche Weserstadt zur „Destination“ machen (wieder ein modernes Wort gelernt!). Da ist zum Beispiel das „UNIversum science reality center“ (das Universums-Wissenschafts-Wirklichkeits-Zentrum!). Sieht schon von außen aus wie ein abgestürztes Raumschiff. Innen bietet die Universität „erlebbare Wissenschaft“: U-Boot-Fahrten durch Blutbahnen, computersimulierte Gehirnfunktionen und vieles mehr.

Ähnlich futuristisch sehen die Pläne für die Erweiterung des „Rhodariums“ aus. „Diese Pflanze verlangt nach Superlativen“, heißt es schon in der Werbebroschüre. Europas größter Rhododendron-Park hat es sich zum Ziel gesetzt, alle Rhododendrenarten der Welt in Bremen zu präsentieren. Auch das spart Flugbenzin, wenn die Massen an GartenfreundInnen nicht mehr um die halbe Welt reisen müssen, um ihre Lieblingspflanzen zu bewundern ...

Generell sind Parks mega-hip in Bremen: Ab 2001 soll ein „Space Park“ die BesucherInnen in den Weltraum entführen, Bremerhaven bekommt einen „Ocean Park“. Wir HamburgerInnen haben nur den ollen Stadt-Park. Und überhaupt: Wieso heißt unser Hafen nicht auch schon längst „maritime Erlebniswelt“? Und die Landungsbrücken „nautischer Boulevard“?

Bei näherem Hinsehen allerdings lohnt sich die Hansestadt Bremen vielleicht gerade für HamburgerInnen doch nur bedingt – viele Bilder kommen allzu bekannt vor: Der Eingang zum Musical „Jekyll&Hyde“ sieht aus wie der von der Neuen Flora, die überdachten Edel-Einkaufspassagen könnten genausogut im Hanseviertel oder in irgendeiner anderen europäischen Stadt sein, das neue Cinemaxx-Kino ist auch nicht gerade original bremisch. Und die Hotelschiffe, die man in Bremen plant, gibt es ja nun in Neumühlen schon lange.

Hamburg hat sie gebraucht von Stockholm gekauft. Vielleicht könnte man sie nun gewinnbringend den Bremern andrehen? Echt „maritimes Ambiente“. Müßten natürlich noch trendige Namen bekommen. Wie wär's mit „Water-Dream-Sleep-Center“? Oder „Swimming-Day & Night-Park“?

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