Die bessere E-Gitarre

■ Virtuos: Der Geiger Nigel Kennedy beendete mit Hendrix das 23. Jazzfestival

Mit einem Abend zur Pflege der klassischen Musik endete am Sonntag das 23. Jazzfestival. Aber natürlich „crossover“: Traditionell ausgebildete Streicher proben die Aufhebung der Grenzen zwischen E und U. Denn an den Musikakademien verbreitet sich das Gefühl, daß es mit der endlos wiederholten Wiedergabe des klassischen Repertoires allein nicht getan sein kann. Doch die aktuelle E-Musik ist alles andere als populär. Was bietet sich besseres an, als ein bißchen Stephane Grappeli zu spielen oder Metallica auf dem Cello: Die Kammermusik sucht ihre elektrische Zukunft.

Wie das geht, zeigte zu Beginn das Hamburg-Berliner Kammerorchester String Thing, das Geige, Bratsche, Cello und Kontrabaß in eigenen Kompositionen ganz unverstaubte Töne und Rhytmen entlockte und das Ganze gelegentlich mit dadaistischem Gesang würzte.

Doch der Star des Abends war Nigel Kennedy. Als Schüler von Sir Yehudi Menuhin und an der „Juiliard School“, der vielleicht weltbesten Musikschule in New York, braucht sich der Geiger technisch nichts vormachen zu lassen. Doch ihn bloß gut zu nennen, wäre eine Untertreibung. Er ist ein Berserker, der seinem Instrument jenseits von kultivierten Musikhallen eine Zukunft sichern kann. Mit entsprechender elektrischer Hilfe präsentiert er die Guarneri-Geige von Adagio bis Fortissimo als die bessere E-Gitarre. Dabei geben er und sein siebenköpfiges Orchester keine komischen Vermittlungsbemühungen à la „Klassik goes Pop“ – Nigel Kennedys Adaptionen von Jimi-Hendrix-Kompositionen wie „Purple Haze“ oder „Hey Joe“ sind virtuose Synthesen.

Das Publikum jubelte stürmisch, und der Star bedankte sich nach genau 90 Minuten angemessen artig, aber ohne Zugabe: „A fucking good Audience“. „Das war doch wie ein Orgasmus“, sagte ein weiblicher Fan hinterher. Hajo Schiff