„Auf Verbote nicht vollkommen verzichten“

■ Interview mit Staatsrechtler Ulrich Preuß von der FU Berlin zum NPD-Demo-Verbot

Ulrich K. Preuß ist Professor für „rechtliche Grundlagen der Politik“ am Institut für Politischen Wissenschaften der Freien Universität Berlin (Otto-Suhr-Institut). Als Autor des „Alternativkommentars“ zum Grundgesetz beschäftigte er sich auch mit der Möglichkeit von Verboten politischer Parteien. Die tazfragte, unter welchen Umständen politische Aktivitäten verboten werden sollten.

taz: Gibt es Ihrer Meinung nach gute Gründe, Aktivitäten der NPD zu verbieten?

Ulrich K. Preuß: Ich muß gestehen, daß ich lange Zeit sehr kritisch gegenüber der Möglichkeit war, Parteien zu verbieten. Ich dachte, daß eine Demokratie das eigentlich nicht nötig haben sollte. Ich glaube aber, daß inzwischen bestimmte Gruppierungen und Formen der politischen Auseinandersetzung eine so militante Art annehmen, daß die Demokratie bestimmte Instrumente haben sollte, um sich dagegen zur Wehr setzen zu können. Ich würde schon sagen, daß es manchmal erforderlich ist, bestimmte Parteien zu verbieten.

Wann denn?

Zum Beispiel wenn sie systematisch in der Öffentlichkeit Gewalt anwenden oder androhen. Oder wenn sie durch einschüchterndes Auftreten eine friedliche Form der politischen Auseinandersetzung behindern.

Werden bei einem Verbot nicht aber auch Gedanken unterdrückt, die offen diskutiert gehören, selbst wenn sie eine extreme Position darstellen?

Das ist der wunde Punkt an der Sache, bei dem auch ich zögern muß. Aber ich glaube schon, daß man unterscheiden kann zwischen der Unterdrückung von Ideen einerseits und andererseits dem Schutz vor bestimmten Formen der Auseinandersetzung die, den Bereich der geistigen Auseinandersetzung bereits verlassen haben. Wenn ein Klima der Angst und der Einschüchterung erzeugt wird, dann behindert das den freien geistigen Austausch. Wenn Parteien in quasi-militärischer Formation auftreten, dann ist das eine Vorform der physischen Gewalt. Danach würde ich das entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat im KPD-Verbotsurteil die unsägliche Formel geprägt, daß es darum gehe, bestimmte Ideen aus dem politischen Prozeß auszuschalten und nicht Vorformen der Gewalt. Aber Ideen dürfen auf keinen Fall ausgeschaltet werden, seien sie auch noch so unpopulär, abwegig, abstrus.

Ist ein Verbot nicht ein Zeichen von totaler Hilflosigkeit in einer bestehenden Auseinandersetzung?

Man hört das Argument, daß sich Demokratie durch Verbote eigentlich selbst aufgibt, weil sie nicht mehr weiterweiß. Wir haben die gleiche Debatte heute mit Milosevic. Es gibt Konstellationen in der politischen Auseinandersetzung, in der man mit gewaltlosen Formen der geistigen Auseinandersetzung vielleicht tatsächlich nicht mehr weiterkommt. Denn alle Beteiligten müssen sich auf diese gewaltlose Form einlassen, damit es funktioniert.

Aber in der Politik geht es nicht immer nur um Ideen, sondern auch um Macht. Macht ist ein Phänomen, in dem irgendwann physische Überlegenheit auch eine Rolle spielt. Um diese Macht zu kontrollieren und zu zivilisieren, muß der Staat auch Instrumente haben, um gegebenenfalls selbst mit seinem Gewaltpotential eine faire Auseinandersetzung zu ermöglichen. Ich denke nicht daß ein Verbot ein Armutszeugnis sein muß. Allerdings sollte man solche Verbote weitestgehend vermeiden, weil Diskussionen dadurch auch abgebrochen werden. Aber man darf auf keinen Fall vollkommen auf diese Mittel verzichten.

In Bremen geht es derzeit gar nicht um ein Parteienverbot, sondern lediglich um das Verbot einer Aktivität einer Partei. Muß der Partei – im aktuellen Fall der NPD – nicht die Möglichkeit gegeben werden, ihre Positionen in der Öffentlichkeit eindeutig darzustellen?

In den Grenzen des Versammlungsgesetzes. Und das schützt nur friedliche Versammlungen. Ob das bei der NPD der Fall ist, kann ich nicht sagen. Das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht. Die Argumente für ein Verbot lauteten immer wieder, daß man den Auseinandersetzungen zwischen Demonstration und Gegendemonstration nicht gewachsen sei. Daß die Gerichte sagen, daß ihnen das als Argument nicht ausreicht, kann ich nachvollziehen.

Fragen: Christoph Dowe