Der Gewinn durch den Krieg hält sich in Grenzen

■ Wer verdient eigentlich am Nato-Einsatz über Jugoslawien? Die europäischen Rüstungskonzerne können höchstens langfristig auf Aufträge hoffen

Ein Krieg kostet seit alters her viel Geld. Das Internationale Institut für Strategische Studien in London kommt bei einer Schätzung der Kosten eines modernen Krieges ebenfalls auf beeindrukkende Summen: Der Golfkrieg nach der Besetzung Kuwaits durch den Irak hat etwa 184 Milliarden Mark gekostet, der im Kosovo summiert sich bis zum heutigen Tag auf 17 Milliarden Mark.

Doch wer profitiert konkret und wie stark? Hier sind klare Angaben selten. Gemessen an den Aktienkursen gibt es nur wenige Profiteure. Der größte ist der US-Rüstungskonzern Raytheon. Seine Aktien steigen, weil der Elektronikspezialist zum Beispiel der Hauptlieferant für die Tomahawk-Marschflugkörper der U.S. Navy ist. Im Geschäftsbericht für die ersten drei Monate 1999 bezifferte die Firma aus Lexington, Massachusetts, den Sonderumsatz durch den Kosovo-Krieg auf 400 Millionen Dollar im laufenden Jahr. „Wir sind sehr zufrieden mit dem anhaltenden Schwung in unserem Geschäft“, meinte denn auch am Donnerstag Daniel Burnham, der Präsident des drittgrößten Militärkonzerns der USA. Der steigende Profit von 241 Millionen Dollar im ersten Vierteljahr kommt jedoch zuallerst von Jobkürzungen, die sich 1999 auf 15.400 Stellen summieren sollen.

Die beiden größeren Konkurrenten Lockheed Martin und Boeing werden durch den Krieg auch mit dem einen oder anderen Ersatzteil ihren Umsatz heben können. Doch sind das Peanuts im Verhältnis zu einem Umsatz der Konzerne von vielen Milliarden Dollar im Jahr. Boeing zum Beispiel baut die Cruise-Missiles der US-Luftwaffe von atomar auf konventionell um. Die meisten der Atomsprengköpfe werden schließlich nach dem Ende desKalten Krieges nicht mehr gebraucht. Nach dem hohen Verbrauch der fliegenden Bomben in den letzten Jahren werden nun 92 weitere umgerüstet – doch das bringt Boeing gerade mal 51 Millionen Dollar Umsatz.

Viel stärker als der Kosovo-Krieg – und zwar negativ – beeinflußt den Aktienkurs der beiden Giganten Lockheed Martin und Boeing der Verlauf des größten Rüstungsauftrags aller Zeiten. Die Konzerne sind die beiden letzten Konkurrenten um den Bau des Joint Strike Fighters, dem Kampfflugzeug der nächsten Generation ab 2008. Er soll für alle Waffengattungen der USA und möglichst vieler Verbündeter eingesetzt werden, 219 Milliarden Dollar sind dafür schon jetzt vorgesehen, 300 weitere Milliarden an ausländischenAufträgen erhofft. Allein: Beide potentiellen Hersteller mußten massive Kostenerhöhungen bei den anvisierten Prototypen eingestehen. Wenn sie die technischen und finanziellen Probleme nicht in den Griff bekommen, wird der Auftrag verschoben – ein größerer Verlust an Geld, als ein Jugoslawien-Krieg je wettmacht.

Die europäischen Rüstungskonzerne können – mit Ausnahme der Tornado-Kampfflieger – noch nicht einmal High-Tech-Kriegsgerät im Einsatz auf dem Balkan vorweisen. Auch die berühmten Aufklärungsdrohnen der Bundeswehr stammen nicht vom alten Kontinent. Die je 2,5 Millionen Mark für die Wiederbeschaffung der drei über serbischem Gebiet verschwundenen fliegenden Kameras gehen an den kanadischen Hersteller Canadair/Bombardier.

Langfristig wird die hiesige Kampfbranche jedoch sehr wohl profitieren. Schließlich bekommen die EU-Politiker gerade vor Augen geführt, wie überlegen die US-Technik von Satelliten über Hubschrauber bis hin zu Raketen ist. Da dürften in den nächsten Jahren einige europäische Programme aufgelegt werden, um die Abhängigkeit von den USA zu mindern. Reiner Metzger