Kriegswaffe Vergewaltigung

■ Berichte über systematische Übergriffe im Kosovo nehmen zu

„Als die Polizisten in die Stadt kamen, war das ihre erste Frage: ,Sind hier irgendwelche Frauen?“, erzählt Valbona Rrustemi aus Urosevac im Süden des Kosovo. Die 19jährige floh am 16. April mit ihrer Familie aus Urosevac. Einen Tag zuvor seien zwei Mädchen auf der Flucht durch den Garten ihrer Familie gerannt und hätten gesagt, die serbische Polizei sei hinter ihnen her. Als wenige Minuten später Polizisten an die Tür ihres Hauses klopften, hätte sie sich verstekken können. Rrustemi ist eine von mehreren Frauen im Flüchtlingscamp Brazda in Makedonien, die von versuchten und tatsächlichen Vergewaltigungen berichten.

Nach ihren Schilderungen suchen Serben Stadt für Stadt und Dorf für Dorf im Kosovo nach jungen Frauen. Von serbischer Seite werden die Greueltaten bestritten, doch internationale Beobachter berichten von zahllosen Aussagen über Vergewaltigungen im Kosovo. Aus den bisher vorliegenden Augenzeugenberichten gehe hervor, daß dies „weder Einzelfälle noch Zufälle“ seien, sagt Patricia Sellers, eine Anklagevertreterin beim Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berichtete in der vergangenen Woche von zunehmenden Informationen über systematische Vergewaltigungen durch serbische Truppen im Kosovo. Grundlage war die Befragung von etwa 250 Flüchtlingen in Makedonien, deren Aussagen aufgrund von Übereinstimmungen als glaubwürdig betrachtet wurden. Nach Angaben der Nato, die sich ebenfalls auf Zeugenaussagen beruft, hat es im Kosovo schon mehrere Fälle organisierter Massenvergewaltigungen gegeben. So sollen serbische Soldaten in Djakovica Frauen von ihren Familien getrennt und in ein Militärlager gebracht haben, wo sie festgehalten und wiederholten Vergewaltigungen ausgesetzt wurden.

Nach Angaben der Vereinten Nationen sollen serbische Einheiten junge Frauen und Kinder auch als „menschliche Schutzschilde“ für ein Munitionsdepot in der Kosovo-Stadt Prizren mißbrauchen. Das sagten Flüchtlinge dem UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR). Wie UNHCR-Sprecher Kris Janowski gestern in Genf sagte, sollen sie in Prizren im obersten Stockwerk eines Gebäudes als Geiseln festgehalten werden. Im zweiten Stock schliefen serbische Soldaten. Im Erdgeschoß werde Munition gelagert.

Im Transitlager von Blace an der makedonischen Grenze berichteten Flüchtlinge aus der Umgebung der Stadt Lipljan, eine Gruppe von maskierten Männern sei am vergangenen Sonntag mordend durch die drei Dörfer Hallac, Ribar Ivogel und Silovi gezogen. Mehr als 50 Menschen seien erschossen worden.

Flüchtlinge in der albanischen Stadt Krume berichteten unterdessen über Massenerschießungen in dem kosovarischen Dorf Izbica. Wie der britische Guardian meldete, könnten dabei mehr als 150 Menschen ermordet worden sein. Die Berichte der Überlebenden bestätigten frühere Vermutungen über ein solches Massaker. Die Nato hatte in der vergangenen Woche Satellitenaufnahmen gezeigt, auf denen nahe Izbica neu angelegte Massengräber zu sehen seien. AP, AFP, dpa

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