Schwule von Knochenmarkspende ausgeschlossen

■ Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer dürfen Homosexuelle kein Knochenmark spenden. Ausnahmen sind selbst dann nicht zugelassen, wenn dringender Bedarf besteht

Der Termin für die die Entnahme des Knochenmarks von Rainer Strobel stand schon fest. „Trotz der Risiken und Schmerzen, die mich erwarteten, war ich für die Spende bereit“, berichtet der Friseur aus Nürnberg, „sonst hätte ich mich wie ein passiver Mörder gefühlt.“ Fast vier Jahre ist es her, als in Fürth dringend Knochenmarkspender gesucht wurden. Er fühlte sich damals angesprochen und stellte sein Blut für die notwendigen Tests zur Verfügung. Kurz vor Weihnachten 1998 – er hatte schon gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet – kam dann doch noch die telefonische Anfrage, ob er für eine Transplantation bereit sei. „Nach meiner sexuellen Orientierung hat mich nie jemand gefragt“, so Strobel.

Doch zwei Tage vor dem Termin im März wurde der Eingriff abgeblasen und auf die Spende verzichtet – nachdem Strobel einem Mitarbeiter der „Aktion Knochenmarksspende Bayern“ (AKB) von sich aus erzählt hatte, daß er schwul sei. Dabei hatten Tests gezeigt, daß er weder mit Aids, Hepatitis oder sonst einem Virus infiziert war. Erst mit dem Bekenntnis zum Schwulsein wurde er zum Risiko – weil man ihm damit eine höhere Wahrscheinlichkeit einer „noch nicht nachweisbaren Infektion“ zuschreibt.

Daß Schwule kein Blut mehr spenden dürfen, scheint inzwischen medizinischer Konsens zu sein. Doch während die Blutreserven in der Regel auch ohne Homo- Spenden ausreichen, ist Knochenmark im Einzelfall ein kostbares Gut. Dessen Übertragbarkeit ist häufig Glückssache, die über die Frage nach Leben oder Tod entscheidet. Anders als bei einer Bluttransfusion, bei der schon dieselbe Blutgruppe ausreicht, müssen die Gewebemerkmale bei einer Knochenmarksübertragung zu nahezu 100 Prozent übereinstimmen. Es ist daher häufig sehr schwierig, schnell einen geeigneten Spender zu finden. Wird nun auch in Notsituationen auf Spenden von Schwulen verzichtet, selbst wenn bei ihnen keine Aids- oder eine andere Infektion vorliegt?

Im Fall des zurückgewiesenen Knochenmarks von Rainer Strobel scheint Fortuna ihre Hände im Spiel gehabt zu haben. „Nachdem wir Herrn Strobel abgesagt hatten, konnten wir auf einen anderen Spender ausweichen“, rechtfertigt Hans Knabe, Arzt und Vorstandsmitglied beim AKB München den ablehnden Entscheid. Er fügt allerdings hinzu, daß nach den geltenden Richtlinien der Bundesärztekammer auch dann keine Transplantation von einem schwulen Spender durchgeführt werden dürfe, wenn ein Ersatzspender nicht aufgetrieben werden kann. Damit würde man eine gesundheitliche Verschlechterung des potientiellen Empfängers – letztlich dessen Tod – in Kauf nehmen. Knabe räumte ein, daß in „in solchen Fällen über eine Abweichung von den starren Vorschriften“ diskutiert werden müsse. Der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer wollte dazu bislang keine Stellungnahme abgeben.

Rainer Strobel kann die Gründe für seine Ablehnung nicht nachvollziehen. Menschen wie er nehmen durch ihre Spendebereitschaft Schmerzen und Risiken in Kauf. Sie pauschal aufgrund ihrer homosexuellen Orientierung auszuschließen, erscheint mehr als fragwürdig. Sollte die Bundesärztekammer ihre Richtlinien nicht überdenken, hinterläßt sie den Nachgeschmack eines eher ideologisch als rational begründeten Reinhaltegebots. Axel Krämer