■ Filmstarts a la carte: Verdachtsmomente
Immer wieder sind die Versuche, Alfred Hitchcock und seine Filme zu imitieren, gescheitert. Und zwar vor allem, weil seine Adepten nicht verstanden, daß die vielgerühmten Suspense- Thriller Hitchcock nur einen Vorwand lieferten, um seine tragischen, komischen und obsessiven Beziehungsgeschichten zu erzählen. Die charmanteste Hommage an den Meisterregisseur gelang zweifellos dem Musicalexperten Stanley Donen mit der Kriminalkomödie „Charade“. Denn Donen war so clever, auf den Suspense zu verzichten und sich statt dessen eines Konstruktionsprinzips zu bedienen, das Hitchcock in „Suspicion“ angewendet hatte: Alle Szenen laufen darauf hinaus, die von Cary Grant gespielte männliche Hauptfigur abwechselnd zu belasten und zu entlasten. So bleibt sein Charakter undurchsichtig, und der Zuschauer wird bis zum Schluß einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt: Hilft Grant der armen Audrey Hepburn nun ganz uneigenützig, den Verbleib des Geldes ihres vorzeitig verblichenen Gatten ausfindig zu machen, oder hat er vielleicht ganz andere Interessen? Und welcher Art sind seine Beziehungen zu den unangenehmen Herren, die ebenfalls hinter dem Geld her sind? Die Hepburn ist jedenfalls ganz verzweifelt, denn sie hat etwas getan, das es als Motiv in fast jedem Hitchcock-Film gibt: Sie hat sich in einen Mann verliebt, von dem sie eigentlich gar nichts weiß.
„Charade“ 1.5.-2.5. im Filmkunsthaus Babylon
Denkt man an rothaarige Frauen im Film, dann fällt einem vielleicht zuerst Maureen O'Hara ein: die Verkörperung von irischem Charme und amerikanischem Selbstbewußtsein, einer gewissen Dickköpfigkeit sowie einem völligen Mangel an Schutzbedürftigkeit, wie man ihn bei Frauen im Kino sonst nur selten findet. Womit wir bei Pippi Langstrumpf gelandet wären, deren herausragendste Eigenschaft in eben diesem Mangel an Schutzbedürftigkeit besteht. Die Geschichten Astrid Lindgrens sind vor allem ein Plädoyer für die Erziehung zur Selbstständigkeit: Pippi macht Chaos, hat aber für jedes Problem auch eine Lösung parat. Im Kinder-Lesekino des Eiszeitkinos wird am kommenden Sonntag der Schauspieler Lars Rudolph, der gerade mit „Die Siebtelbauern“ auf den Berliner Leinwänden gastiert, aus den Stories um phantasievolle Kinder und pikierte Spießbürger vortragen, ehe die kleine rothaarige Vorreiterin der Frauenemanzipation in Olle Hellboms „Pippi geht von Bord“ in Inger Nilsson ihre einzig gültige fleischliche Verkörperung erfährt.
„Pippi geht von Bord“ 29.4.- 30.4., 3.5.-5.5. im Eiszeit 2; 1.5.-2.5. im Eiszeit 1, am 2.5. mit Lesung von Lars Rudolph
In der Geschichte des Animationsfilms ist Lotte Reiniger eine singuläre Figur: Fast im Alleingang kreierte sie in oft jahrelanger mühevoller Kleinarbeit Scherenschnittfilme, deren Geschichten meist in orientalische Zauberwelten spielten: romantische Märchen mit Prinzen und Kalifen, exotischen Tieren, gefahrvollen Urwäldern und prächtigen Palästen. 1926 war „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ der erste abendfüllende Animationsfilm – und bis heute hat die Kunst Lotte Reinigers, mit Schere und Papier Charaktere zum Leben zu erwecken, nichts an Faszination verloren.
„Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ 29.4.-30.4., 3.5.-5.5. im Eiszeit 1
Lars Penning
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