: Das Stadion tobte zum „Griechischen Wein“
■ Siggi Mannig heißt der Held des Weserstadions. Als beim Länderspiel Schottland – Deutschland die Lichter ausgingen, langte der Hausmeister zu und zog wagemutig die glühende Sicherung aus dem Kasten. Eigentlich schade – fanden 27.000 Zuschauer.
Im Flutlicht des Weser-Stadions steckt ein Kurzer. Seit dem vergangenen Mittwoch, als während des Länderspiels der deutschen Nationalmannschaft gegen die Schotten das Stadion für lange Minuten völlig im Dustern lag, läuft die Anlage nur noch auf drei Stufen – die vierte Stufe haut immer wieder raus. Jochen Brünjes, bei der Bremer Sport- und Freizeit GmbH zuständig fürs Tiptop im Weser-Stadion, konnte auch am gestrigen Abend noch nicht sagen, woran es denn wohl gelegen haben mag. Aber die Wartungsmannschaft um Jürgen „Charly“ Franke aus der Neustädter Elektrofirma Tangemann sucht seit gestern abend fieberhaft nach dem Fehler. Die Anspannung ist aus den knappen Kommentaren von Meister Franke herauszuhören: „Nein. Mit höherer Fügung hat das nichts zu tun. Das ist Technik. Wir prüfen die Installation. Zwei mal im Jahr. Für weitere Auskünfte ist das Sportamt zuständig.“ Bei seiner Ehre war Meister Franke am Mittwoch gepackt, als er im Fernsehen life mitansehen mußte, wie da „seine“ Anlage plötzlich abkackte. Schon saß er im Wagen – auf der Erdbeerbrücke – als er von ferne sah, wie die Lichter wieder angingen. Da machte er wieder kehrt.
So bleibt es also allein Siegfried „Siggi“ Mannig, Hausmeister des Weser-Stadions, vorbehalten, sich zum Helden des Länderspielabends feiern zu lassen. So ganz ungern tut er das nicht. Extra aus seiner Parzelle mußte er anrollen – obwohl er doch seinen freien Tag hatte. Denn plötzlich standen radio ffn, buten & binnen und die taz vor dem Stadion, und wollten von ihm den Tathergang nun mal genau geschildert haben.
Und so war's: Grad läuft Siggi Mannig aus seinem Glaskasten im Stadion (“Klar war ich da!“) runter in die Pausengänge, als er in die Stadion-Sonne blickend sieht: Da ist doch 'ne Lichtstufe ausgefallen. Er also ab in die Steuerkabine, um den Jungs da mal Dampf zu machen (“Ich dachte, da hätte mal wieder einer auf die Knöpfe gedrückt“) – als sein fachmännisches Auge erkennt: Nix Knopfdruck. Stromausfall! Also ab zum Sicherungskasten und siehe da: Eine der drei Blocksicherungen ist raus. Er also die alte Sicherung ausgewechselt (“Da verbrennt man sich erstmal die Knochen.“), 'ne neue rein – zackbummqualm, knallt die wieder raus. Und die beiden anderen gleich mit. Da war's jetzt erstmal richtig dunkel im Stadion. Und während Siggi Mannig sich von seinem Schrecken erholt (“Ich war ganz ruhig. Jetzt wußte ich woran es liegt.“) begann im Weser-Stadion die Fete. Wunderbar war's, (sagen alle). Plötzlich sangen und tranken und tanzten nicht nur die Schottenröcke. Das ganze Stadion tobte zum „Griechischen Wein“ – (“das ist das Blut der Erde“). Leider nur zwanzig Minuten – das nachfolgende Trauerspiel kennt man aus der Glotze.
Siggi Mannig nämlich (andere Quellen behaupten: der hinzugeeilte Hauselektriker) hatte die Flutlichtanlage wieder auf drei Phasen hochgefahren (“Das dauert 20 Minuten! Die Lampen müssen erstmal abkühlen“).
Aufgeklärt sind damit auch die Mythen, die noch gestern durch die Hansestadt flottierten: Daß man einfach den Notstrom-Diesel hätte einschalten können. „Quatsch!“, sagt der Hausmeister. Der Kurzschluß lag doch beim Trafo (“Vorschaltgerät“) hoch oben an der Flutlichtanlage – mit der Energieversorgung hatte das nichts zu tun. Also war's eben doch: „höhere Fügung“, finden Siggi Mannig und sein Chef Jochen Brünjes. Nur unter den Mitarbeitern munkelt's noch ein bißchen weiter: Daß bei der 20 Jahre alten Anlage sowas schon längst zu erwarten war. Daß jetzt hoffentlich endlich was getan werde. Und daß man ja noch ein verdammtes Schwein gehabt habe: „Stell Dir vor, das wäre im Heimspiel gegen Frankfurt passiert – womöglich noch beim Rückstand von 0 : 1.“ (Wäre ja so verwunderlich nicht.) „Da wäre sofort von Sabotage die Rede gewesen.“ ritz
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