Radsportlers Himmelfahrt

■  „Tödliche Tour“ – der Krimi zum Rennrad. Ein explosives Epos

Was macht ein amerikanischer Radprofi, der mit 32 Jahren zu alt ist für seinen Beruf? Er mietet sich in einem kleinen Dorf in der Nähe von Roubaix ein Häuschen und beginnt zu saufen. Und was macht ein französischer Top-Fahrer, der sich auf die neue Saison vorbereitet? Er macht sich überhebliche Gedanken über die seiner Meinung nach leistungsschwache Konkurrenz und fummelt mit einem Messer in einem Toaster rum. Der Toaster explodiert, die Pariser Tour-de-France-Hoffnung wird atomisiert, und schon sind wir mitten in einem Radsport-Krimi.

Greg Moody, geboren 1952 in Kalamazoo, Michigan, hatte mal mit Musicals zu tun, dann war er Stand-up-comedian, später Radio- und Fernsehjournalist. Radrennen ist er auch gefahren. Diese Talente hat er 1995 zusamengeschnürt und in einem Roman gebündelt: „Two Wheels“, von der Edition Moby Dick nun unter dem deutschen Titel „Tödliche Tour“ veröffentlicht.

Der dramatische Beginn mit dem Plastiksprengstoff im Toaster ist der Auftakt zu einer teilweise spannenden, um technische Feinheiten bemühten, dabei sich immer hart an der Humorgrenze entlang hangelnden Kriminalgeschichte im Umfeld einer imaginären Profi-Radsportmannschaft. Will Ross heißt der Pedalheld, der die in die Luft gesprengte Rad-Ikone ersetzen soll. Warum, das ist ihm selbst nicht so klar, hat er seinen Leistungszenit doch längst überschritten.

So schwingt sich der ewig Mittelmäßige wieder auf sein weißes Colnago, die Pumpe ans Oberrohr geklebt und den Schlauch über Kreuz um die Schultern geschlungen. Radsportbegeisterte Leser werden aufmerken: Hey, da hat ja endlich mal einer einen Roman geschrieben, der sich auszukennen scheint. Und Greg Moody weiß derart Bescheid, daß es eine Lust ist: „Faszinierend, diese Männer, die in ihre Maschinen verliebt sind und für sie so viel Schmerz erdulden. Männer, die Fahrräder lieben.“

Kein Mord ohne Polizist. Der trägt einen zerlumpten Trenchcoat und heißt Godot. Daß niemand auf ihn vergeblich warten muß, dafür trägt dieser selbst Rechnung. In Columbo-Manier taucht er immer mal wieder auf, wenn's darum geht, einen weiteren Mord aufzuklären. Denn gestorben wird am Rande der Frühjahrsklassiker häufiger. Will Ross' Mechaniker erwischt es bei Mailand – San Remo. Kaum, daß er die Campagnolo-Gruppe überprüft hat, die Ergo-Power-Bremsschalthebel und den Colnago-Rahmen – Rennradexperten dürften sich bei der Lektüre die Hände reiben. Und schon explodiert die nächste Ladung Plastiksprengstoff. Nach der Flandernrundfahrt, kompetent bis auf den kleinsten Hügel beschrieben, reißt es den deutschen Sprinter ebenfalls in Stücke. Der heißt aber zum Glück nicht Zabel, sondern Merkel. Am Zielstrich von Gent – Wevelgem ist die Ex-Freundin von Will Ross dran.

Das Überraschende: Niemand denkt jemals daran, diese unglückselige Mannschaft aus dem Rennen zu nehmen. The show must go on. Und ein richtiger Rennfahrer denkt ohnehin nur an die Hölle des Nordens, Paris – Roubaix, sportlicher wie dramatischer Höhepunkt von „Tödliche Tour“.

Greg Moody nun vorzuwerfen, er sei ein unverbesserlicher Radsport-Romantiker, der vor lauter Detailverliebtheit gern auf eine allzu schlüssige Dramaturgie verzichtet, ist – völlig angebracht. Die Schilderungen der Rennen zeugen von Erfahrung. Wer selbst einmal einen Berg mit 16 Prozent Steigung hochgekeucht ist, wird diese Passagen mögen. Ernsthafte Krimi-Leser seien hingegen gewarnt. Der Autor nimmt das Genre nicht so ganz ernst. Gralshüter der deutschen Sprache: Freut euch! Das Buch ist nicht nur weitgehend nach den Regeln der Rechtschreibreform übersetzt, sondern hält auch so manches Formulierungsschmankerl bereit. Oder haben Sie schon mal von einem „somnambulen Tempo“ gehört? Oder daß ein Rennfahrer „seine Position usurpiert“?

Zu Crime gehört bekanntlich Sex. Hier nicht! Suchen Sie erst gar nicht danach, wann Ross das erste Mal mit Cheryl ins Bett steigen wird. Sex hat der Amerikaner Greg Moody nicht vorgesehen. Aber das verbietet sich bei Spitzensportlern ohnehin von selbst.

Jürgen Francke

Greg Moody: „Tödliche Tour“. EditionMoby Dick 29,80 DM