■ Die Nato schont die Zivilbevölkerung der Republik Jugoslawien
: Sauberer Krieg?

Wie schön hätte er sein können, der erste Krieg unter rot-grünem Oberbefehl: sauber, umweltverträglich und human. Chirurgisch präzise Schnitte und Stiche am „Körper Miloevics“. Nichts wäre angenehmer für das Gewissen: Man tut Gutes und besudelt sich nicht mit Blut. Ein Königsweg aus einem moralischen Dilemma wäre es gewesen. Denn das entschiedene Nein zum Krieg der Nato geht nur jenen leicht über die Lippen, die das Morden im Kosovo ausblenden. Alle anderen sind zerrissen. Einerseits muß den Opfern der serbischen Vertreibungspolitik geholfen werden. Andererseits wirkt bei vielen, vor allem aus dem grünalternativen Umfeld, die prinzipielle Ablehnung des Militärischen als eine Möglichkeit der Konfliktregelung nach.

Unbehagen bereitet auch die Erkenntnis, daß der Krieg ohne die Fehler des Westens vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre. Auch wenn Miloevic ein Produkt und Ergebnis des eigenen Handelns ist, so legitimieren die Fehler der Vergangenheit nicht zur Passivität im Heute.

Wie man die Sache auch wendet, mit jeder Option geht Schuld einher. Einen Ausweg schien die militärische Überlegenheit der Nato, der Glaube an die Perfektion der Technik zu bieten. „Luftschläge“ mit der Präzision einer Computersimulation – ohne tote Zivilisten. Dieser Wunsch war sicherlich eher dem eigenen ruhigen Schlaf verpflichtet denn einer Empathie mit den möglichen Opfern. Nun also häufen sich die Meldungen von Umweltschäden und getöteten Kindern. Aber anstatt anzuerkennen, wie genau die Nato bislang die Ziele traf, die sie auch treffen wollte, wie stark, verglichen mit dem Irak-Krieg, die Bemühungen sind, die Zivilisten zu schonen, breitet sich nun Entsetzen aus. Doch 1.000 zivile Opfer nach fünf Wochen Krieg, so die Angaben des Bruders Miloevic, sind eher ein Beleg für behutsame Bombardements. Oder hat wirklich jemand geglaubt, der Krieg der Nato wäre ein Wettbewerb um den Umwelt- und Menschenrechtspreis?

Es gibt nur einen Weg, den Tod ziviler Opfer auf serbischer Seite zu verhindern, den sofortigen Stopp der Bombardements. Aber was hülfe dies den Kosovaren? Es gibt keinen Mittelweg: Entweder ein klares Nein zum Krieg. Das wäre gut fürs eigene Gewissen, beendet aber nicht das Morden im Kosovo. Oder die Sache entschieden zu Ende bringen. Egal, wie die Entscheidung ausfällt: Unschuldig kommt keiner aus dieser Angelegenheit raus. Eberhard Seidel