Ein bißchen Frieden

■  Die Geschichte der Juden in Deutschland und Europa als Lebensthema: Der US-amerikanische Historiker Fritz Stern wird mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet

Das Bedürfnis nach Frieden im Börsenverein des Deutschen Buchhandels ist groß. Nach dem heftigen Streit um die Friedenspreisrede Martin Walsers im vergangenen Jahr hat man mit dem US-amerikanischen Historiker Fritz Stern nun für 1999 einen Preisträger erkoren, der wenig Widerspruch hervorrufen dürfte und dessen Wahl sich als nachträglicher Kommentar zur Walser-Debatte verstehen läßt. Fritz Stern, 1926 als Sohn jüdischer Eltern in Breslau geboren, wird, wie es in der Begründung des Börsenvereins heißt, dafür ausgezeichnet, „seit langem die schwierige Geschichte seines Geburtslandes Deutschland“ erforscht, „Brücken des Verständnisses zwischen den Zeiten und den Völkern“ errichtet und die Geschichte der Juden in Deutschland zu seinem „Lebensthema“ gemacht zu haben. Besonderes Lob zollt der Börsenverein dem Bemühen Sterns, „die stets umstrittene historische Präsenz der Juden in der deutschen Politik und Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft in seinem Lebenswerk ausgewogen dargestellt“ zu haben. Wer dem Börsenverein unterstellte, mit der Ehrung Martin Walsers Schlußstrichmentalität und Wegdenken gefördert haben zu wollen, sieht sich nun eines Besseren belehrt: Preiswürdig ist 1999 das Hinsehen – aber auch die Versöhnungsbereitschaft.

Fritz Stern, der 1938 in die Vereinigten Staaten emigrierte und 1947 US-Bürger wurde, übernahm 1963 die Professur für Europäische Geschichte an der Columbia University in New York. 1963 erschien auch sein erstes Buch auf deutsch: „Kulturpessimismus als politische Gefahr – eine Analyse nationaler Ideologien in Deutschland“. Stern wählte stets einen biographischen Zugang zu den großen historischen Themen. Berühmt wurde vor allem seine Studie über die Beziehungen zwischen Otto von Bismarck und dem jüdischen Bankier Gerson Bleichröder, der half, dessen Kriege zu finanzieren („Gold und Eisen“, 1977). „Es gibt nicht nur die sogenannten materiellen Interessen, sondern ganz besonders auch psychische“, sagte Stern. „Die einen sind meist klarer als die anderen – verschwiegen werden oft beide.“

Einer größeren Öffentlichkeit wurde Stern 1987 bekannt, als er als erster Ausländer im Bundestag die Rede zum 17. Juni hielt und dabei nicht von einem „Aufstand für die Wiedervereinigung“ sprach, sondern von einem „Aufstand für ein besseres, freieres Leben“ . 1993/94 war Stern war Berater des damaligen US-Botschafters Richard Holbrooke in Bonn. Er wunderte sich über den „Grad der Bedrücktheit“, den er im wiedervereinigten Land vorfand, und gab seiner Sorge um rechtsradikale Tendenzen Ausdruck, vertraute aber auf die stabile europäische Entwicklung Deutschlands.

Jörg Magenau