Der Marktwert einer Physikerin

Wissenschaftssenatorin Sager will Uni-Elite nach Leistung bezahlen  ■ Von Karin Flothmann

Könnte Krista Sager, wie sie wollte, sähe Hamburgs Hochschullandschaft schon bald anders aus. Professoren wären nicht mehr Beamte, sondern Angestellte. Die Höhe ihres Gehalts wäre von der Leistungsbereitschaft abhängig. Nachwuchswissenschaftler könnten ohne Habilitation zu Assistenzprofessoren avancieren. Und Teilzeitprofs wären an der Tagesordnung. „Das gehört noch in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach“, konstatierte die grüne Wissenschaftssenatorin bei einem Symposiums des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) zum Thema „Personalreform für die Wissenschaft“, das am Freitag abend in der Hansestadt zu Ende ging. Da viele Hochschulen seit Jahren Organisationsstruktur und Inhalte reformierten, sei es höchste Zeit, auch bei ihren Bediensteten anzusetzen.

Mit dieser Meinung steht Sager nicht alleine da. Schon Ende vergangenen Jahres präsentierte die deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ein neues Besoldungsmodell: Danach sollte die Elite der Wissenschaft leistungsabhängig bezahlt werden. Jedem Prof stünde ein Basisgehalt zu, das sich nach Sagers Ansicht an die heutige C 3-Besoldung von Professoren anlehnen sollte (monatlich rund 8000 Mark brutto). Hinzu käme ein verhandelbares Zusatzgehalt, das „den Marktwert des Professors berücksichtigt“, erläutert Peter Frankenberg, Vizechef der HRK. Außerdem sollen leistungsbezogene Zulagen möglich werden, die „exzellente Lehre oder Forschung“ belohnen. Zur Zeit verdienen Professoren auf C 4-Stellen rund 10.000 Mark monatlich.

Vorbild für das neue Lohnmodell soll Frankenbergs Ansicht nach die freie Wirtschaft sein. Hier bestehe die Möglichkeit, sein Gehalt durch Leistungszulagen zu verdoppeln. Mit Hilfe des neuen Lohnmodells, so hofft der Professor für physische Geographie in Mannheim, hielte endlich mehr Konkurrenz Einzug in die Unis. Und „Wettbewerb führt zu Leistungssteigerung“.

„Man kann eine Hochschule auch kaputt machen, wenn man sie durchkommerzialisiert“, meint hingegen Lothar Zechlin, derzeit noch Präsident der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP). Dennoch hält er das Modell der HRK für eine gute Idee. „Es ist doch ein Unterschied, ob ein Professor 200 Arbeiten seiner Studenten korrigiert oder 20, die er womöglich noch von einem Assistenten durchsehen läßt.“

Zechlin geht es um einen Paradigmenwechsel an der Hochschule – weg vom „verstaubten Dienstrecht“. Die Treuepflicht von Beamten mache bei Professoren keinen Sinn, denn „Beamte sind doch von ihrer besonderen Bindung an den Staat beseelt“. Hinzu kommt, daß das Beamtenrecht bisher nicht einmal Teilzeitarbeit vorsieht. Eine Tatsache, die auch Wissenschaftssenatorin Sager ärgert. Immerhin könnten Teilzeitprofs, die halbtags lehren und die andere Hälfte der Zeit im freien Berufsleben stehen, Erfahrungen aus der Arbeitswelt in die Unis tragen.

Die üblichen Nebentätigkeiten der Professorenschaft könnten so eingedämmt werden. Denn wenn Mediziner neben der Uni noch Privatpatienten versorgen, wenn Architekten lehren und nebenbei ein florierendes Büro betreiben, ist fraglich, wie weit ihr Engagement für die Uni reicht. Diesen Menschen wäre mit einer Teilzeitprofessur geholfen, so Sager.

Auch Jürgen Lüthje, Chef der Hamburger Universität, kann sich für das Gehaltsmodell der HRK erwärmen. Auf diese Weise, meint der promovierte Jurist, ließe sich die Motivation im Wissenschaftsbetrieb steigern. Von Professoren, die nach dem Bundesangestelltentarif (BAT) bezahlt werden, hält Lüthje aber nichts. Er möchte lieber gleich ein ganz neues Gehaltssystem schaffen, das es erlaubt, Spitzenkräfte adäquat zu honorieren.

Alles Mumpitz, findet Dietrich Schwanitz. „Professoren haben keine Angestelltenmentalität.“ Der Hamburger Anglistikprofessor a.D. ist davon überzeugt, daß Profs nicht so sehr an Geld interessiert sind, sondern ihr Selbstwertgefühl aus ihrem Bekanntheitsgrad innerhalb der Wissenschaftsgemeinde ziehen. Professoren arbeiten bis in die Nacht hinein an ihren Projekten, weiß Schwanitz, „die müssen geradezu manisch werden“, sonst seien sie keine echten Profs. Setzt sich das HRK-Modell durch, fürchtet er, „läuft das auf Feierabendprofessoren hinaus. Die arbeiten dann wie der Hausmeister. Nach 17 Uhr wird kein Handschlag mehr getan, es sei denn, es gibt eine Sonderzulage.“