IOC übernimmt Reform lieber selbst

■ Bei der Besetzung seiner Reformkommission will IOC-Präsident Samaranch offenbar den Anteil unabhängiger Vertreter senken

Lausanne (dpa/taz) – Juan Antonio Samaranch hat offenbar seine Reformpläne für das Internationale Olympische Komitee (IOC) geändert. Unmittelbar vor der Sitzung des Exekutivkomitees morgen in Lausanne überraschte das australische Führungsmitglied Kevan Gosper mit der Aussage, der Reformkommisson des IOC würden „bis zu 60 Personen“ angehören, davon etwa ein Drittel Persönlichkeiten von außerhalb des IOC. Der IOC-Präsident hatte Mitte März bei der Einführung des Gremiums von 20 bis 24 Kommissionsmitgliedern gesprochen, die Hälfte davon sollten unabhängig sein. Gosper gab am Wochenende in Sydney als Grund für die voraussichtliche Erweiterung der Kommission den „Drang“ vieler IOC- Mitglieder an, in dem Gremium mitarbeiten zu wollen. Die Kommission soll auf einer IOC-Session Ende des Jahres die endgültigen Reformvorschläge bezüglich eines demokratischen Auswahlverfahrens, einer Rückführung der Altersbegrenzung von bisher 80 Jahren und der zeitlichen Begrenzung von Mitgliedschaften zur Verabschiedung vorlegen.

Mit einer Vergrößerung der Reformkommission um IOC-Mitglieder geriete das unabhängige Element in eine starke Minderheit. Der die Kommission anführende Samaranch hatte bisher sechs Mitglieder benannt. Neben dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger sind das der italienische Industrielle Giovanni Agnelli sowie Peter Ueberroth, Organisator der Spiele in Los Angeles 1984, NOK-Präsident Bill Hybl und IOC-Vizepräsidentin Anita DeFrantz, alle aus den USA. Eine Berufung erhielt auch der deutsche Sporthistoriker Norbert Müller.

Bereits heute trifft in Lausanne erstmals die Ethikkommission zusammen. Das Gremium ist neben der Reformkommission die zweite Schöpfung nach dem Korruptionsskandal. Sie soll die Ära der IOC- Selbstkontrolle beenden, neue Verhaltensregeln für IOC-Mitglieder aufstellen und überwachen. Dazu muß sie die noch nicht abgeschlossenen Affären um das südkoreanische Exekutiv-Mitglied Kim Un Yong und den Australier Phil Coles endgültig bewerten.

Als weitere Konsequenz aus dem Skandal wird das IOC bei den Spielen 2000 in Sydney und voraussichtlich auch bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City für die Reise- und Aufenthaltskosten seiner Mitglieder selbst aufkommen. Das IOC möchte dies auch als finanzielle Hilfe verstanden wissen. Dem Organisationskomitee in Sydney (SOCOC) fehlen nach eigenen Angaben 48,7 Millionen Dollar im Etat. Salt Lake City hatte mit 859 Millionen Sponsoreneinnahmen kalkuliert, 300 Millionen stehen noch aus. Beide Olympia-Orte machen das IOC mitverantwortlich dafür, daß die Olympischen Ringe stark an Werbewirksamkeit eingebüßt haben.