Wenn Dr. TV krank wird ...

■  Hustobellospinatose noch mal: „OA jagt Oberärztin“ ist ja eine ZDF-Medicomödie!

Das Fernsehen beutelt sein Publikum mit neuen Formaten. Doku-Soap, Melo, Comedy-Talk ... Oder sind es nur neue Wortschöpfungen? „OA jagt Oberärztin“ jedenfalls wird vom ZDF als „Medicomödie“ angepriesen.

Darunter darf man nun allerhand verstehen – eine mediterrane Komödie etwa oder eine medizinische Komödie. Daß Fremdworte Glückssache sind, trägt möglicherweise zur ungeheuren Beliebtheit von Ärzteserien bei. „Schwester, reichen Sie mir die Obramethylparaphrase, aber dalli!“ „Achtung, Patient steht kurz vor der Konzibillifaxenmetamorphose!“ Begriffe von hehrer Unverständlichkeit erhöhen den Zuschauer. Was fühlt der sich doch gebildet und wichtig! Rheumaintersymbiose! Hustobellospinatose! Dieses hoheitsvolle Gefühl schafft ungeheure Nähe zu den Akteuren einer Medicomödie.

Zu Heino Striesebruch beispielsweise. Derselbe (Axel Milberg) ist ein berühmter Seifenopern-Doktor, bis er als falscher Patient in ein echtes Krankenhaus einfährt: Hörsturz. Die Symptome sind Heino Striesebruch indes zur Genüge aus seinem Dasein als Dr. TV bekannt.

Die Idee von „OA jagt Oberärztin“ ist keine neue, aber eine dankbare. Fiktion und wirkliches Leben werden vom Drehbuch zueinander geführt, die schöne Phantasie steigt in die Niederungen des Alltags hernieder etc. pp. So etwas endet höchstens im Märchen gut, nie aber im Fernsehen, wenn das Fernsehen denn ehrlich ist. Das Fernsehen ist schließlich eine elektronische Kaffeefahrt, bei der das Publikum möglichst viele Rheumadecken kaufen soll. (Zugegebenermaßen stammt dieser Satz nicht von mir, aber dies ist ja schließlich eine Medienkritik in einem Medium.) Andererseits erwartet auch keiner mehr, daß Fernsehen etwas mit dem wirklichen Leben zu schaffen hat.

Oberärztin Uffland (Daniela Ziegler) hat noch nie von ihrem Promi-Patienten gehört. Das rächt sich: Ihre Patienten wollen nur noch vom Fernsehdoktor operiert werden. Ja, manche können im Krankenhaus vom Krankenhaus gar nicht genug kriegen. Wieso muß das Leben denn auch immer was mit der Wirklichkeit zu tun haben? (Auch dieser weise Satz stammt aus „OA jagt Oberärztin“.)

Joachim Roerings Fernsehsatire zeichnet sich durch feines Spiel und punktgenaue Dialoge aus, durch Liebe zum Detail und zum Kalauer – etwa, wenn Striesebruchs Chef neue Serien visioniert. „Das Mafia-Krankenhaus“ zum Beispiel: Chirurg steigt auf Chirurgin, während MP-Salven den Patienten zerlegen. Sex, Gewalt und Krankenhaus – das bringt Quote. „Melodien und Autopsien“, „Des Teufels Sanitäter“ – was für Möglichkeiten das „Medicotainment“ (ZDF) doch bietet! Das kann ein Krankenhaus wie das von Frau Dr. Uffland nur lernen: Die gesunde Kernzielgruppe der 14- bis 49jährigen müsse von der Medizin umworben werden; die über 50 kommen von selbst!

Handlungsarm, jedoch pointenreich, sinnvoll übertrieben und giftig – so gefällt „OA jagt Oberärztin“. Alle Zutaten des modernen Lebens haben ihr Plätzchen: Frau Dr. Ufflands gräßlich pubertierende Tochter („Mein Alter ist Chefgynäkologe bei der Bundeswehr!“)und das Gesundheitsmagazin „Prosit“ ebenso wie eine beliebte TV-Illustrierte, die hier „Peng“ heißt. „Was schnetzeln Sie denn heute?“ fragt ein echter Chirurg den TV-Doktor neidisch.

Das Fernsehen nimmt sich also selbst auf die Schippe, zur Hauptsendezeit und ohne Happy-End. Nein, das Fernsehen wird das wirkliche Leben nicht retten, und der Zuschauer hat das Fernsehen, das er verdient. Oder doch nicht? Einmal schreit Striesebruch es beschwörend heraus: „Der Zuschauer ist intelligent!!!“ Falls dem Zuschauer dieser Film nicht gefallen sollte, wäre er tatsächlich dumm. Von wem stammt doch gleich das Drehbuch? Joachim Roering. Gut, der Mann. Anke Westphal ‚/B‘„OA jagt Oberärztin“: heute, 20.15 Uhr, ZDF