Postenschacher in der EU geht unvermindert weiter

■ Angestellte des Schengen-Sekretariats sollen ohne nähere Prüfung verbeamtet werden

Brüssel (taz) – Trotz des Rücktritts der skandalgeschüttelten EU-Kommission wächst in Brüssel die Günstlingswirtschaft. Diesmal gerät der Europäische Ministerrat in die Schußlinie. In der Behörde haben bereits über 1.500 der rund 2.400 EU-Beamten ein Papier unterzeichnet, in dem ihr Chef, der deutsche Generalsekretär Jürgen Trumpf, des Verrats bezichtigt und ihm das Vertrauen entzogen wird. Trumpf wolle mindestens 57 externen Mitarbeitern gutdotierte Posten im Ministerrat verschaffen, erklärte der Personalrat.

In einem Papier des Personalrats heißt es, vor allem „auf Druck Belgiens“ hätten nahezu sämtliche EU-Delegationen der Übernahmen von 62 Schengen-Angestellten „en bloc“ und ohne fachliche Prüfung zugestimmt, mit Ausnahme Frankreichs. Das Schengen-Sekretariat war bislang für den Abbau der EU-Grenzkontrollen zuständig. Mit dem Vertrag von Amsterdam geht die Zuständigkeit an die EU-Ministerratsbehörde über. Obligatorisch wäre darum für die Angestellten des Schengen-Sekretariats eine Prüfung vor ihrer Aufnahme in die Ratsbehörde.

Doch offenbar hat der belgische Außenminister Eric Derycke gegen den Test interveniert, um seinen Freund und ehemaligen Kabinettschef, Luc-François Vandamme, ohne vorherige Prüfung auf einen lukrativen A3-Posten im Ministerrat zu schleusen, wie die französische Tageszeitung Libération schrieb. Ratsbeamte sprachen von einem „Dammbruch“ und „Willkür“ angesichts Vandammes Einschleusung. Mit dem Posten-Deal ist die Vergabe von weiteren neun gutdotierten A-Stellen verbunden, fünf davon sollen Belgier bekommen.

Trumpf selbst hatte vor zwei Jahren ein „Auswahlverfahren“ der Schengen-Angestellten vorgeschlagen. Die Rechtsabteilung des EU-Rates hatte darüber hinaus erklärt, eine Aufnahme der Angestellten sei en bloc und ohne Eignungsprüfung nur mittels Vorschlag der EU-Kommission und einer Stellungnahme des EU-Parlaments möglich. Am 6. März jedoch folgte ein neues Gutachten der Rechtsabteilung, in der die Beteiligung sowohl der EU-Kommission als auch des Europaparlaments nicht mehr für notwendig erklärt wurde. Ein „Gefälligkeitsgutachten“, wie Juristen in der Ratsverwaltung erklärten. Am 25. März tauchte ein weiteres Schreiben des Juristischen Dienstes auf, in dem vor Klagen beim Europäischen Gerichtshof gewarnt wird, sollten die Angestellten ohne Eingungstest lukrativ verbeamtet werden. Dessen ungeachtet haben die Minister sich für den Postenschacher in Edith-Cresson-Manier entschieden. Peter Sennekamp