Häppchen vom Boulevard der Denker

Auch berühmte Philosophen müssen mal ein Päuschen einlegen: Das Central präsentiert ab morgen die WDR-Fernsehreihe „Philosophie heute“ zwei Wochen lang als Nonstop-Programm  ■   Von Helmut Merschmann

Gefilmte Philosophie im Fernsehen? Dem Medium, das nur noch nach der Quote heischt, wird Anspruchsvolles heute kaum mehr zugetraut. Und seinem Publikum nicht zugemutet. Ulrich Boehm, Redakteur für Philosophie beim WDR, weiß von solchen Vorbehalten ein Lied zu singen. Dennoch ist seine Sendereihe „Philosophie heute“ ein heimlicher Hit und eine Orchidee in der deutschen Fernsehlandschaft.

Vom Quotendenken ist der umtriebige Redakteur aber weit entfernt. Viel lieber arbeitet er mit seiner Sendereihe an geeigneten formalen Herangehensweisen. Die reichen vom Interviewfilm über das Fernsehporträt bis zur inszenierten Collage. Ein besonderes Experiment stellt indessen Boehms Kooperation mit dem Berliner Kino Central dar, in dem ab morgen in den Nachmittagsstunden annähernd dreißig der von ihm betreuten Sendungen laufen.

Das von Hans Habiger ins Leben gerufene Projekt ist als „Nonstop Kino“ konzipiert. Täglich von 13.30 bis 18.30 Uhr laufen zwei thematisch verwandte Sendungen als Endlosschlaufe, ähnlich den früheren Blue Movies im Rotlichtbezirk. Bei freiem Eintritt kann dazustoßen, wer will und wann immer es die Zeit zuläßt. Damit soll dem Geist des Gegenstandes, der sich weder mit Gold aufwiegen läßt noch auf Kommando einstellt, Rechnung getragen werden. Ein Häppchen Philosophie gefällig?

Den Beginn macht eine vielgerühmte Sendung, für die Hans Georg Gadamer, der Nestor der deutschen Philosophie, die Geschichte seines Fachgebiets erzählt. Der betagte Herr mit seinen dunkel funkelnden Augen gibt selbst vielleicht das beste Beispiel ab für die Kraft der Philosophie. In eingängigen Worten ist seine Darlegung der klassischen griechischen Philosophie ein Meilenstein in der Vermittlung des bisweilen schwierigen Gedankenguts.

Mit dem Problem der Vermittlung muß sich freilich die gesamte Sendereihe befassen. Wie lassen sich anspruchsvolle Texte verständlich „rüberbringen“, wie komplexe Zusammenhänge, die ihrerseits auf Philosophiegeschichte zurückgreifen, anschaulich darstellen? Einen ganz anderen Weg beschreitet der Film „Blumen des Bösen“, der sich den Kehrseiten der Zivilisation, dem Machtstreben und der Zerstörung, zuwendet. In collagenhafter Auflösung ist hier viel Dokumentarisches untergebracht und allerlei Symbolisches inszeniert. Die bunte Anschaulichkeit verfolgt einen eher assoziativen Zugang, der sich von den Urtexten Nietzsches und Baudelaires löst.

Es gibt viele Wege, sich der Philosophie zu nähern. Auf dem „Boulevard der Denker“, einer Sendung über die Pariser Philosophie seit Sartre, erklärt Gero von Boehm dieselbige zur eitlen Mode und erhält damit die Freiheit, über das Savoir-vivre der Philosophie nachzudenken und den Metzger von nebenan um seine Meinung zu bitten. Oder man heftet sich an die Fersen eines der Doyens deutscher Denkkunst und spitzt die Ohren. Das Porträt über Jürgen Habermas „Einladung zum Diskurs“ zeigt den Frankfurter Philosophen bei dessen einwöchigen Gastaufenthalt an der amerikanischen Eliteschmiede Stanford. Gerade in den Gesprächen mit den dortigen Studenten werden die Kernfragen, um die sich das Habermassche Denken dreht, gut illustriert. Denn die Mittel und Wege, wie gesellschaftlicher Konsens und ein gemeinsames Wertegerüst entstehen, erweisen sich als die großen aktuellen Themen des Einwanderungslandes Nordamerika.

Auch berühmte Denker legen gerne mal eine Pause ein und sind dann beispielweise bei Karl Djerass, einem der Väter der Antibabypille, zu Gast, dessen Kunstsammlung sie bewundern. „Ach, Sie haben das!“ entfährt es einem erstaunten Jürgen Habermas beim Anblick einer Zeichnung von Paul Klee. Solche intimen Momente könnten auch im „Central“-Kino wahr werden, wo einige der Philosophen in den kommenden Tagen persönlich anwesend sind und die Filme kommentieren werden. „Philosophie im Kino“. Vom 6. bis 19.Mai 1999, täglich 13.30 bis 18.30 Uhr im Kino Central, Rosenthalerstr. 39, Mitte