Journalisten protestieren gegen Polizeischläge

■ Offener Brief an Innensenator: Übergriffe am 1. Mai lassen sich nicht als Versehen erkennen. Bislang sieben Anzeigen gegen Polizisten. Landeskriminalamt ermittelt

Neun Journalisten der unterschiedlichsten Medien haben mit einem offenen Brief an Innensenator Eckart Werthebach (CDU) und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky aufs schärfste gegen Übergriffe der Polizei am 1. Mai in Kreuzberg protestiert. Sie hätten sich den Beamten eindeutig als Pressevertreter zu erkennen gegeben, heißt es in dem von Journalisten und Fotografen von Berliner Kurier, junger Welt, „Spiegel TV“, Welt und Stern unterzeichneten Schreiben. „Trotzdem wurden wir Unterzeichner teilweise brutalst mit Schlagstöcken attackiert oder auch festgenommen.“

Das Vorgehen der Einsatzkräfte habe zudem „leider in keinster Weise den Eindruck erweckt, daß wir ausschließlich aus Versehen etwas abbekamen“, resümieren die Medienvertreter und fordern, die „Beamten zur Rechenschaft zu ziehen und solche Eskalationen künftig zu verhindern“.

„Als ich auf dem Kottbusser Damm fotografierte, schlug mich ohne Vorwarnung von hinten ein Polizist mit dem Knüppel auf den Kopf“, berichtet zum Beispiel der 31jährige Claudio Fragasso gegenüber der taz. Resultat sei eine drei Zentimeter lange Platzwunde gewesen. Danach habe der Polizist mit Knüppelschlägen die Kamera und das Blitzlicht zerstört, obwohl der Fotograf nach seinen Worten den Presseausweis gut sichtbar an der Jacke trug.

Der Vorfall ereignete sich nach Angaben Fragassos am Abend des 1. Mai auf dem Kottbusser Damm in Kreuzberg. Kurz vor Ende der revolutionären Demonstration knüppelte die Polizei in die Menge, während Steine und Glasflaschen in Richtung der BeamtInnen geworfen wurden.

Sieben Journalisten haben inzwischen Anzeige gegen PolizistInnen im Zusammenhang mit der Kreuzberger Straßenschlacht am 1. Mai erstattet. Polizeisprecherin Gabriela Gedaschke sagte gestern, die Polizei sei von sich aus aktiv geworden, um den Vorwürfen auf die Spur zu kommen. Das Landeskriminalamt (LKA) habe sich an die betroffenen Journalisten gewandt, damit diese Anzeigen erstatten. Nun gehe das LKA den Beschuldigungen nach, ohne aber bislang Ermittlungsergebnisse präsentieren zu können. Die Namen der Polizisten, die Journalisten verprügelt haben sollen, wollte Gedaschke nicht nennen.

Innensenator Werthebach sagte: „Ich verspreche Ihnen, wir gehen den Vorwürfen nach.“ Nach Angaben von Matthias Rebentisch, dem Sprecher der Staatsanwaltschaft, ist sein Haus bislang nicht mit den Ermittlungsverfahren beschäftigt. Gegenwärtig habe das LKA sie noch nicht an die Staatsanwaltschaft abgegeben.

Auch der Name eines Polizisten, der seinen Holzstock auf dem Kopf einer flüchtenden Frau zerschlagen haben soll, ist weiterhin nicht bekannt, so Sprecherin Gedaschke. Ein Kollege hatte den Beamten angezeigt, von dem er aber nur die Nummer der Einheit erkannt hatte. Hannes Koch