■ Ein ratloser US-Präsident Clinton besucht Deutschland
: Die Wiederkehr des Fischer-Plans

„Es gibt keinen Verhandlungsspielraum“, sagte Clinton nach seinem Gespräch mit Tschernomyrdin und kurz vor seinem Abflug nach Deutschland. „Nach dem, was wir mit eigenen Augen gesehen haben, können wir uns weder hinter Teilnahmslosigkeit verstecken noch der Ungeduld anheimfallen.“

Trotz solcher Durchhalteparolen wird zur Zeit nichts so ungeduldig gesucht wie Verhandlungsspielraum. Die Frequenz der Bombenangriffe ist von 500 auf 700 am Tag gestiegen, 15.000 Angriffe sind seit dem Beginn des Kriegs geflogen worden, und gerade hat Ungarn der Stationierung von 24 amerikanischen Jagdbombern zugestimmt, was die Anflugzeit bei Angriffen verkürzen würde. Derweil aber erweist sich Amerikas Wunderwaffe, der Apache-Hubschrauber, als untauglich für den Balkan. Und während Clinton verspricht, daß er nicht ruhen wird, bis die Kosovaren nach Hause können, landen die ersten Flüchtlinge in Fort Dix, New Jersey – jeder weiß, daß, wer erst einmal nach Amerika einwandert, nicht wieder zurückkehrt. Selbst eine überwältigende Militärmacht ist nicht allmächtig, und auch die mächtigste Militärallianz der Geschichte kann nicht alles durchsetzen, was wünschenswert wäre.

Die USA wissen nicht mehr weiter, so wächst Deutschland eine zentrale Rolle zu. Deutschland hat die längsten Erfahrungen im Umgang mit Rußland, ohne das eine Neuordnung des Balkan nicht möglich ist, und Deutschland hat auch das größte Interesse an einem guten Verhältnis zu Rußland und ruhigen Verhältnissen auf dem Balkan. Ohne deutsche Gelder wird es auch keinen Wiederaufbau des Balkan nach dem Krieg geben.

Während Clinton mit Schröder spricht, interessieren sich in Washington auf einmal einflußreiche Senatoren erneut für den schon totgesagten Fischer-Plan. Im Prinzip ist der Krieg nämlich schon aus, denn seine Ziele sind militärisch nicht erreichbar. Es geht nur noch um die Synchronisierung von Feuerpause und Rückzug, um das Maß an Rückzug sowie um Zusammensetzung und Bewaffnung einer Schutztruppe für das Kosovo. Derartige Details auszuhandeln, wird das in Ostpolitik erfahrene Deutschland mehr Geschick haben als Clinton.

Das eigentliche Ergebnis dieses vierten oder fünften Balkankriegs also wird die Erkenntnis sein, daß die Nato sich doch noch ein ganz neues Konzept wird überlegen müssen und daß Deutschland in die Rolle einer zweiten Ordnungsmacht – nach den USA – hineinwächst. Peter Tautfest