■  Nach der G-8-Erklärung gibt es wieder Hoffnung: Beobachter vermuten, auch Milosevic könnte einlenken. Doch die Luftangriffe gehen weiter, die Nato hat inzwischen 30.000 Soldaten rund um das Kosovo stationiert
: Bereit für Krieg oder Frieden?

Das waren neue Töne aus dem Mund von US-Präsident Bill Clinton: Er sehe positive Zeichen sowohl für eine Einigung mit Rußland über einen Friedensplan als auch für ein Nachgeben des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloevic. Noch am Vortag hatte Clinton immerhin angekündigt, die Luftangriffe würden „erbarmungslos intensiviert“, bis Miloevic einlenke. Doch danach verstärkten sich die Hinweise, daß es auf dem Treffen der G-8-Staaten in Bonn zu einer gemeinsamen Position gegenüber Jugoslawien kommen werde. Clinton sagte zu US-Reportern an Bord seines Dienstflugzeuges, der Air Force One, auch die überraschende Freilassung von Ibrahim Rugova sei ein gutes Zeichen. Sie deute darauf hin, daß Miloevic sich dem Punkt nähere, die wesentlichen ihm gestellten Bedingungen zu akzeptieren. Doch Clinton dämpfte aufkeimenden Optimismus mit den Worten, falls es nicht gelinge, zu einem Abkommen mit Miloevic zu kommen, sei die Alternative, daß „die internationale Gemeinschaft in der Tat Jugoslawien den Krieg erklärt und auf Belgrad marschiert“. Eine solche Eskalation hatte Clinton wohlweislich bislang nie angedroht.

Später bekräftigte er bei einem Besuch in Ingelheim gegenüber Flüchtlingen aus dem Kosovo, die Rückkehr aller Vertriebenen „in Sicherheit und Freiheit“ sei unabdingbar. „Es zerbricht einem fast die Seele zu hören, was Sie alles durchgemacht haben“, sagte Clinton sichtlich bewegt am Ende seines Besuchs in dem Auffanglager, bei dem Flüchtlinge ihm ihre Erlebnisse schilderten.

Eine Voraussetzung dieser Rückkehr ist mit der Einigung der G-8-Staaten über die Zusammensetzung einer bewaffneten Friedenstruppe, die im Kosovo stationiert ist und den Schutz der Flüchtlinge garantieren kann, nunmehr gegeben. Nach den Vorstellungen Clintons muß es sich dabei um Einheiten handeln, deren Kern aus Nato-Truppen besteht. Nur dann können die negativen Erfahrungen früherer internationaler Friedenstruppen vermieden werden, deren Wirksamkeit und Schutzfunktion häufig durch Sprachprobleme, Kommandostreitigkeiten und logistisches Chaos stark beeinträchtigt war.

Clinton begrüßte ausdrücklich, daß Rußland sich jetzt an der Suche nach einer politischen Lösung beteilige und eingewilligt habe, sich an einer bewaffneten Kosovo-Friedenstruppe zu beteiligen. Nato-Quellen in Brüssel nannten dabei jetzt die Zahl von insgesamt 50.000 Soldaten für solch eine Streitmacht, knapp doppelt so viele wie ursprünglich im Rambouillet-Abkommen geplant. Die Einigung mit dem russischen Außenminister Igor Iwanow bei dem G-8-Treffen wird auch die Möglichkeit eröffnen, den UN-Sicherheitsrat in die Lösung einzubeziehen, von ihm ein Mandat für die Kosovo-Friedenstruppe zu erhalten und Miloevic damit international weiter zu isolieren.

Der jugoslawische Präsident deutete durch verschiedene Hinweise in den vergangenen Tagen Kompromißbereitschaft an. Er erklärte sich bereit, leichtbewaffnete, unter dem Kommando der UNO stehende peacekeeper in beliebiger Zahl im Kosovo zu akzeptieren, und er willigte nach anfänglichem Zögern in die Freilassung der drei US-Soldaten ein, die am vergangenen Wochenende mit Jesse Jackson aus Jugoslawien ausreisen konnten.

Zuletzt erlaubte er dem unter Hausarrest gestellten Ibrahim Rugova, mitsamt seiner Familie nach Italien auszureisen. Eine Sprecherin seiner Partei, der LDK, hielt dies allerdings weniger für ein echtes Zugeständnis als für einen Versuch von Miloevic, den Westen zu spalten.

Doch es gibt noch weitere Zeichen aus Belgrad: Nebojsa Vujovic, ein Sprecher des jugoslawischen Außenministers, wird in der Washington Post mit der Ansicht zitiert, daß bewaffnete Friedenstruppen im Kosovo stationiert werden könnten, wenn sie unter dem Kommando der UNO stünden und dies in direkten Verhandlungen zwischen Miloevic und UN-Generalsekretär Kofi Annan vereinbart würde. Bei einer solchen Lösung könne Miloevic vor der jugoslawischen Öffentlichkeit sein Gesicht wahren.

Ausländische Journalisten, die keinerlei Möglichkeit haben, direkte Informationen über die Entscheidungsfindung der jugoslawischen Führung zu erhalten, verweisen auch auf die veränderte Reihenfolge der Themen in den abendlichen Nachrichten im jugoslawischen Fernsehen: Die diplomatischen Bemühungen von Jesse Jackson oder Wiktor Tschernomyrdin werden neuerdings noch vor den Schäden durch die Bomben der Nato gemeldet. Am Dienstag wurde gezeigt, daß Miloevic sich mit Polizeikommandeuren im Kosovo getroffen habe, die ihm versicherten, die Zerschlagung der UÇK sei vollendet. In den jugoslawischen Medien werden darüber hinaus vermehrt Oppositionelle zitiert, die fordern, die Lage realistisch zu sehen, also jetzt auf die Bedingungen der Nato einzugehen. Stefan Schaaf