Operette mit beschränkter Haftung

■ Radunski in der Höhle des Löwen: Mit dem dritten Konzept und dem 16. Termin zur Wiedereröffnung des Metropols bändigt der Senator Mitarbeiter und Freunde der stillgelegten Bühne

Am Anfang stand Peter Radunski ziemlich einsam da. Eine kleine Rednertribüne hatte der Förderverein des Metropol-Theaters am Donnerstag abend auf Wunsch des CDU-Kultursenators im zugigen Hof des Admiralspalasts aufbauen lassen, vor den Türen des seit zwei Jahren geschlossenen Operettenhauses. Ringsum drängelten sich die früheren Mitarbeiter, einst vom letzten Intendanten René Kollo mit beschränkter Haftung in die Pleite geführt. Dazu die Ostberliner Operettenfreunde, die inzwischen nach Dresden, Leipzig oder Magdeburg fahren müssen, wenn sie den „Vetter aus Dingsda“ oder die „Fledermaus“ sehen wollen.

Schon zu DDR-Zeiten fiel das Metropol nicht gerade in die Sparte Jugendtheater, und seitdem sind schon wieder zehn Jahre vergangen. Kein Wunder also, daß der Senator mit seinen 60 Jahren in dieser Umgebung geradezu jugendlich wirkte: Ein Fremdkörper also wie der heimgekehrte Sandor Barinky in der ungarischen Puszta, der „Zigeunerbaron“ aus der gleichnamigen Operette.

Keine leichte Aufgabe: Vor diesem Publikum mußte sich Radunski dafür rechtfertigen, daß er das Haus dem jungen Impressario Christoph Hagel übergeben will. Hagel habe sich für den Job durch populäre Opernproduktionen wie „Giovanni im E-Werk“ und „Zirkus im Zauberflöte“ für den neuen Job qualifiziert, sagte der Senator. Er meinte wohl Don Giovanni und die Zauberflöte im Zirkuszelt. Der Bremer Musical-Betreiber Michael Arend solle die nötigen Investitionen für den geplanten „Spielgewinn, äh, Spielbeginn“ in der Silvesternacht tätigen – mit einem Zuschuß von 25 Millionen Mark jährlich, die Radunski „durch Umverteilungen im Gesamtkulturplafonds gewinnen“ will.

„Immer nur Westdeutsche“, nörgelten die Zuhörer, die den Glauben an Radunskis Worte ohnehin verloren hatten. Bereits zum 16. Mal kündige der Senator einen Termin für die Wiedereröffnung an, rechnete der Vereinsvorsitzende Lars Meissner dem CDU-Politiker vor. Der rechtfertigte sich damit, daß es sich ja erst um das dritte Betreiberkonzept handle – und machte beim Termin gleich wieder einen halben Rückzieher: Schließlich könne man das Theater am 31. Dezember statt „mit einer Premiere“ auch „in anderer Form“ einweihen.

Gleichwohl schaffte es der ausgebuffte Wahlkämpfer mühelos, sein Konzept als einzigen Strohhalm zur Rettung des geliebten Metropols erscheinen zu lassen. Hatten ihn die Operettenfreunde zu Beginn noch mit höhnischem Gelächter begrüßt, wurden die kritischen Töne dann immer leiser. Die Stimmung schlug endültig um, als der frühere Oberspielleiter Peter Bejach das Wort ergriff. Er war offenbar von Radunski und Hagel zuvor heftig umschmeichelt worden und riet den Metropol-Fans, sie sollten „an neue Dinge nicht mit Mißtrauen, sondern mit Vertrauen herangehen“.

Am Rand der Szene schüttelte die bündnisgrüne Abgeordnete Alice Ströver nur den Kopf. Das Arend-Konzept, so die Kulturpolitikerin, rechne sich nur, wenn der Investor auch das Vorderhaus übernehmen könne. Doch darauf lasteten noch die Ansprüche von Alteigentümern. Auch habe Radunski nicht gesagt, woher er jene 50 Millionen Mark nehmen wolle, die an Abfindungen für die einstigen Metropol-Mitarbeiter noch auf das Land zukommen könnten. „Und der Termin beim Bundesarbeitsgericht“, sagte Ströver, „ist schließlich noch vor der Wahl am 10. Oktober.“

Doch vorerst hatte Radunskis Auftritt seinen Zweck erfüllt: Ungestört konnte sich die CDU einen Tag später bei ihrem Parteitag, diesmal im windgeschützten Inneren des Metropol-Theaters, als Hüterin der populären Hauptstadtkultur inszenieren.

Ralph Bollmann

Offen läßt Radunski, woher er die 50 Millionen nehmen will, die an Abfindungen noch auf das Land zukommen könnten