New-York-Geschichten

■ Von kleinen Leuten in der großen Metropole. Ein Lesebuch

Kaum hat man erfahren, was aus Winston und seinem winzigen Laden an der Ecke geworden ist, will man wissen, wie Pedros Ankunft in New York tatsächlich verläuft. Dem Mexikaner geht es nicht besonders gut in der großen Stadt. Begierig blättert man weiter zu Karl, ein Bayer und Wahl-Ami.

Hat man eine von Andrian Kreyes Geschichten, die alle in New York spielen, gelesen, wird man sofort süchtig nach der nächsten. Vor allem, da sie leicht und gut zu lesen sind. Kurze Schlaglichter auf die Vielfalt einer Stadt. Ungewöhnliche Geschichten von ganz gewöhnlichen Menschen.

Kreye erzählt von den Underdogs, den kleinen Leuten, von Szene-Kultur und Einwanderern. Wenn er ausnahmsweise einmal über die Schönen und Reichen schreibt, dann über die Brüche und Widersprüche in ihrem Leben. Wir lesen von der weißen, schönen Tocher, die sich den Virus holt, und vom Front-Fotografen, der am heimischen Kriegsschauplatz nach langer Abwesenheit hoffnungslos scheitert.

Kurz und kompakt sind die Textstücke in Kreyes Buch. Sie sind im Stil zwischen klassischer Short-Story und Seite-drei-Reportage verfaßt. Die ideale Lektüre für den langen Flug nach New York oder die längere Rast im Central Park.

Das Buch ist eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Metropole, dennoch liest es sich wie leicht dahingeschrieben. Beispielsweise die Kette mißglückter Blind-Dates: „Die Frauen waren zwar hübsch anzusehen, aber er wußte nicht, was er mit denen reden sollte, schaltete den Smalltalk auf Autopilot und langweilte sich.“

Kreye, der seit 1988 als Autor und Journalist in New York lebt, schreibt „faction“. Auch wenn seine Geschichten nicht durchgängig wahr sein sollten, wahrscheinlich sind sie allemal. Und gut lesbar. Und so erfährt man mit „Menschen in New York“ mehr über die Vielfalt und Brüche New Yorks als mit gängigen Reiseführern. Eine gelungene Annäherung an die Stadt. Barbara Schäfer

Andrian Kreye: „Menschen in New York“. Köln 1998, 218 Seiten, 36 Mark