Tugend-Partei droht Verbot

■ Nach Meinung des türkischen Generalstaatsanwalts verstößt die islamistische Partei gegen weltliche Verfassungsgrundsätze

Ankara (AFP) – Wenige Tage nach dem Kopftuch-Skandal im türkischen Parlament droht der islamistischen Tugendpartei (Fazilet) nun das Verbot. Der Generalstaatsanwalt des Kassationsgerichts, Vural Savas, beantragte gestern die Auflösung der Partei, weil sie gegen die in der Verfassung verankerten demokratischen und weltlichen Grundsätze verstoße. Die Abgeordneten der drittstärksten Fraktion im Parlament sollen ihre Mandate zurückgeben müssen, die Parteifunktionäre fünf Jahre keine politischen Ämter mehr ausüben dürfen.

Savas hatte bereits das Verbot der Fazilet-Vorgängerpartei Refah des damaligen Regierungschefs Necmettin Erbakan mit denselben Begründungen durchgesetzt. Der gestrige Antrag folgte auf den Auftritt der Fazilet-Abgeordneten Merve Kavackci, die am vergangenen Sonntag mit dem islamischen Kopftuch im Parlament erschienen war.

In dem siebenseitigen Antrag vergleicht Savas Fazilet mit einem Krebstumor, der „Metastasen streut“, berichtete die halbamtliche Nachrichtenagentur Anadolu. Die Aktivitäten der Partei verstoßen demnach gegen die Artikel 2 und 24 der Verfassung, die die Türkei als laizistische Republik bestimmen. Die Sanktionen sollen auch für Parteichef Recai Kutan gelten. Die Fazilet-Partei war am 18. April als drittstärkste Kraft aus den Parlamentswahlen hervorgegangen und gewann 111 der 550 Sitze. Der Auftritt Kavackcis mit dem islamischen Kopftuch hatte einen Eklat ausgelöst, so daß sie nicht vereidigt wurde. Nach der laizistischen Verfassung der Türkei ist das Tragen von Kopftüchern in Schulen, Universitäten und Behörden verboten, da es als Symbol des Fundamentalismus gilt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kavackci wegen „Aufstachelung zum religiösen Haß“.

Es ist damit zu rechnen, daß Savas' Antrag zur Auflösung der Fazilet-Partei führt, nachdem auf dieselbe Weise im vergangenen Jahr bereits die Vorgängerpartei Refah aufgelöst worden war. Savas hatte deren Auflösung im Mai 1997 beantragt, im Januar 1998 wurde das Verbot ausgesprochen. Seit seiner Gründung 1963 löste das Verfassungsgericht bereits 22 Parteien auf; drei davon waren von Erbakan und seinen politischen Freunden gegründet worden.