Mit randvollem Tank über Serbiens Grenze

■  Wie zu Embargo-Zeiten wollen Rumänen mit Benzinschmuggel nach Serbien Geld machen. Bukarest versucht, die Geschäfte zu unterbinden

Aus den beiden Wagen tropft Benzin unterm Fahrgestell heraus. Versteckte, undichte Tanks? „Das kommt, weil die Leute ihren Tank noch mal bis obenhin füllen, wenn sie aus der Schlange zu uns herfahren“, sagt die Zöllnerin. „Der Boden ist hier schräg, deshalb tropft es dann heraus.“ Ihre Kollegen finden bei dem einen Fahrer zwei Plastikflaschen mit Benzin – er muß zurück. Der andere Fahrer ist „trocken“. Ein junger Mann, Wirtschaftsstudent. „Bei vierzig Litern im Tank und anderthalb Mark je Liter verdiene ich zwanzig, fünfundzwanzig Mark die Tour“, sagt er gelangweilt. „Besser, als zu Hause rumzusitzen.“

Vor dem Grenzübergang stauen sich die Autos, vielleicht einen Kilometer lang. Ein Kamerateam will die Schlange filmen. Zwanzig, dreißig Männer kreisen die Journalisten ein. Sie schimpfen und fluchen wütend und schubsen die ungebetenen Besucher weg. „Wenn ihr hier nicht sofort verschwindet, zerschlagen wir die Kamera“, drohen sie. Die umstehenden Polizisten greifen nicht ein. „Haut ab zu eurer verdammten Nato und zu euren Bomben!“ ruft einer. Daß er gerade wegen der Nato und durch den Krieg gegen Jugoslawien Geld verdient, kommt ihm nicht in den Sinn.

Das Eiserne Tor. Urgewaltig stürzt das Wasser durch die Schleusen des großen Donaustaudamms an der rumänisch-jugoslawischen Grenze. Es sind Tausende Kubikmeter in jeder Sekunde. Oben, auf dem Staudamm fährt nur alle Viertelstunde ein Auto über die Grenze. Benzingeruch liegt in der Luft. „Wir warten hier einen Tag und eine Nacht, bevor sie uns durchlassen“, beschweren sich einige Fahrer.

Seit die Nato Jugoslawien bombardiert, gehört der Benzintransport für Tausende Rumänen aus dem Südwesten des Landes zur täglichen Beschäftigung. Obwohl das Öl- und Treibstoffembargo gegen Jugoslawien offiziell noch nicht in Kraft getreten ist, will die rumänische Regierung Benzinschmuggel verhindern. Die Zollbeamten an den rumänischen Grenzübergängen kontrollieren eingehend jedes Fahrzeug, das nach Jugoslawien will. Gegen einen randvollen Tank können sie bisher nichts unternehmen. Reservekanister und andere Behälter mit Benzin sind nicht erlaubt.

Die rumänischen Behörden erwägen, eine Ausfuhrsteuer je Tankfüllung zu erheben. Schon einmal, während des Uno-Embargos gegen Jugoslawien von 1992 bis 1995, betrieben viele Rumänen aus der Region Treibstoffschmuggel. Damals in großem Umfang. Die Behörden unternahmen wenig dagegen. Ganze Züge mit Diesel sollen unter Mithilfe der Grenzpolizei und des Zolls nach Jugoslawien gelangt seien. Das Chemiekombinat Solventul bei Temeswar pumpte Treibstoff durch eine unterirdische Leitung zur Raffinerie nach Pancevo – die damalige Solventul-Betriebsleitung steht dafür vor Gericht und behauptet, mit Wissen der ehemaligen Regierung gehandelt zu haben.

Die jetzige Regierung hingegen will dem Schmuggel einen Riegel vorschieben, noch bevor er richtig beginnt. Sondereinsatztruppen sollen in den nächsten Tagen die Truppen an der rumänisch-jugoslawischen Grenze verstärken und die Einhaltung eines künftigen Embargos überwachen.

Donauklamm. Auf einer Strekke von hundert Kilometern hat die Donau die Ausläufer der Westkarpaten durchbrochen. Zu beiden Seiten des Ufers ragen steil Felsen in die Höhe, an manchen Stellen ist es von Rumänien nach Serbien nur wenige hundert Meter weit. Die Tankstellen, die auf rumänischer Seite mitten in der Wildnis standen, sind abgebaut. Alle zehn Kilometer, dort, wo das Ufer sanft abfällt, drängt sich ein Fischerdorf. Auch in ihnen gibt es nur noch eine Tankstelle statt fünf.

In dem Dorf Svinita, mitten in der Donauklamm, stehen statt der Tankstellen heute viele neue, geräumige Häuser. „Wir haben das Embargo immer eingehalten“, sagt der Bürgermeister Ion Ianculovici und redet dann vom Krieg. „Als die ersten Bomben auf Jugoslawien fielen, dachten wir, der dritte Weltkrieg sei ausgebrochen.“ Die Beziehungen zu Freunden und Verwandten aus den Dörfern auf der serbischen Seite seien jetzt unterbrochen, klagt er; zu gemeinsamen Fußballspielen würden sich die Leute aus Svinita mit der Mannschaft aus dem serbischen Nachbardorf am anderen Ufer jetzt nicht mehr treffen.

Fünfzig Kilometer weiter flußaufwärts liegt am Beginn der Donauklamm das berühmte Dorf Pescari, das „Dorf der Millionäre“. Auch hier sind von den Tankstellen nur noch verrostete und zerstörte Zapfsäulen übriggeblieben. Vor dem Dorfeingang stapeln sich neben einem Grenzposten die konfiszierten Fischerboote. Das Dorf hat es mit dem Benzinschmuggel zu Reichtum gebracht. Dicht an dicht drängen sich in dem Ort heute großzügige Häuser und kleine Paläste, deren Mauern kitschige Löwenköpfe schmücken.

Überall entlang der Donau ist in diesen Tagen von „Cezar“ die Rede. Cezar Tinca, ein 30jähriger Mann, ist das erste Opfer des neuen Benzinschmuggels. Serbische Grenzer schossen ihn Anfang der Woche nachts auf der Donau an, als er versuchte, Benzin ans serbische Ufer zu bringen. Nun liegt er auf der Intensivstation im Krankenhaus des Städtchens Altmoldova. Er sei beim Fischen gewesen, wegen eines Motorschadens habe ihn die Nacht erwischt. „Die Serben haben eine ganze Salve abgeschossen“, erzählt er. „Eine Kugel hat mich am Bauch getroffen. Ich bin bis Pescari heruntergetrieben, dort haben mich die Leute ins Krankenhaus gebracht.“

Warum die Serben ihn am Fischen hindern wollten, kann er sich nicht erklären. Noch wird offenbar nicht in großem Umfang geschmuggelt, wie vor 1995. Die Gewinnspanne ist bei einem Preis von einer Mark je Liter Benzin in Rumänien und anderthalb Mark hinter der serbischen Grenze zu niedrig. Auch scheint die rumänische Regierung diesmal entschlossen, keinen massenhaften Schmuggel mehr zu dulden. Doch manche Grenzbeamten haben Verständnis für die Leute, die Benzin nach Serbien transportieren.

Der Chef des Grenzüberganges Naidas, Nicolae Stoican, sagt: „Die Bergwerke, die Metallurgiekombinate, die Fabriken in der Region sind alle bankrott. Viele Leute stehen hier an der Grenze mit ihren Wagen, weil sie sonst gar kein Geld verdienen würden.“

Wie am Eisernen Tor stehen auch in Naidas Hunderte von Autos mit vollen Tanks vor dem Grenzübergang. Die großen Schmuggler bereiten sich unterdessen auf neue Embargozeiten vor. An einer zerstörten Tankstelle, einige Kilometer vom Grenzübergang Naidas entfernt, steht ein Mann mit einem Mercedes. Nach dem Ende des Embargos 1995 sei ihm die halbe Tankstelle gestohlen worden – eine Zapfsäule, Sanitäreinrichtungen, Möbel im Kassenhäuschen. Jetzt will er die Tankstelle reparieren lassen. Mit dem Embargo habe er damals nichts zu tun gehabt, unterbricht er jede Frage nach dem Schmuggel. Eine Stunde später steht an der noch nicht reparierten Tankstelle ein Tanklastzug und füllt die unterirdischen Reservoirs. Keno Verseck, Grenzgänger