Deutschland und der Krieg, Teil V: Das Bettina-von-Arnim-Gymnasium in Dormagen
: „Milosevic wird seine Gründe gehabt haben“

■ Auch die UÇK hat Dreck am Stecken. Und der Nato sind die Flüchtlinge eigentlich egal

Auf dem Basketballfeld des Bettina-von-Arnim-Gymnasiums (BvA) steht ein Schüler, der sich kläglich müht, seinem Instrument Fanfarentöne zu entlokken. Er wird achtlos umdribbelt. Auf der Tischtennisplatte daneben sprayen zwei Jungs Abi-Porträts auf braunes Packpapier.

Das BvA in Dormagen ist ein etwas verlottertes rheinisches Kleinstadtgymnasium. Der graue Putz blättert überall an den Außenwänden des in den frühen sechziger Jahren erbauten Gebäudes, die Bücher in den Bibliotheken sind fast alle noch aus dem Fundus der Erstausstattung, die Turnhalle verfällt.

Es wollten zunächst fünfzehn kommen, dann nur noch zehn, dann fünf. Schließlich sind es zwei Schüler, die Lust haben, in der siebten Stunde über den Kosovo-Krieg zu diskutieren. „Das gute Wetter, Klausuren, einfach keine Lust.“ Nun gut. Dafür sind Blanka Sestak und Jan Beckers, die sich zusammen mit ihrer Lehrerin Insa Hartlep eingefunden haben, um so engagierter. Beide haben Angst. Beide fürchten, daß sich der Konflikt zu einem Weltkrieg ausweiten könnte.

„Rußland wird das nicht lange mit sich machen lassen“, vermutet Blanka, „dann gibt es richtig Krieg.“ „Die Amerikaner interessierten sich nicht wirklich für Europa.“ „Die wissen doch gar nicht, wo der Balkan liegt. Die sollten erst mal zu Hause für Ordnung sorgen. Da haben sie genug Mist am laufen, mit ihrer Rassendiskriminierung und so.“

Blanka ist „Serbokroatin“, wie sie sagt. Die Mutter ist Serbin, der Vater Kroate. Sie ist in Düsseldorf geboren worden, vor 18 Jahren. An den Konflikten der letzten Jahre im früheren Jugoslawien, glaubt sie, tragen alle Mitschuld. Nicht nur Miloevic. Auch im Kosovo seien die Aggressionen zum Teil von den Albanern und der UÇK ausgegangen.

Auch Jan glaubt, „daß Miloevic seine Gründe gehabt haben wird, da einzugreifen“. Und welche? „Ach, man blickt da ja so genau nicht durch.“ Auf jeden Fall hätte es andere Mittel geben müssen. Kein Krieg jedenfalls. Krieg bringt gar nichts.

Blanka hat noch Verwandte in Serbien, mit denen sie manchmal telefoniert. Sie erzählt von der Angst in den Dörfern, den Nächten in den Kellern. „Da muß man sich mal hineinversetzen.“

Daß die Nato da keine Vorbereitungen für die Flüchtlinge getroffen hat, sei ein Skandal. „Das hätten die doch vorher wissen müssen, die Herren Militärs“, sagt Blanka. „Von so was wird man doch nicht einfach so überrascht. Das ist doch nicht der erste Krieg, den die führen. So wichtig, wie sie immer sagen, scheint denen das Schicksal der Flüchtlinge doch nicht zu sein. Denen geht es nur um ihren Krieg.“

Und während Jan noch voller Hoffnung ist, daß die Menschen im Kriegsgebiet, „die Einstellung von innen her“ ändern können, daß sie „lernen müssen, sich zu akzeptieren“, auch wenn sie noch so unterschiedlich seien, sagt Blanka desillusioniert und knapp: „Ach, die haben doch alle einen Sockenschuß!“

Volker Weidermann