Chinesische Studenten demonstrieren gegen USA

■ 200 Studenten fordern Ende der Nato-Angriffe. Experten meinen, daß die chinesische Erziehungskommission hinter den Protesten steht. Dort sind alle Studenten registriert

Die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad hat gestern in Berlin 200 chinesische Demonstranten auf die Straße gebracht. Mit Megaphon und Nationalhymne sowie mit Transparenten wie „USA sind Neunazis“ und „Stoppt die Tötung von Unschuldigen“ demonstrierten sie vor dem US-Konsulat in der Neustädtischen Kirchstraße. Aufgerufen hatte die Gesellschaft für chinesische Akademiker.

„Es ist wirklich unverschämt, die Bombardierung mit einem veralteten Stadtplan entschuldigen zu wollen“, sagte die Organisatorin Quing Li zu offiziellen Nato-Version des Angriffs. Hong Meng, Dozentrin für Sinologie an der Humboldt-Universität, meinte: „Es ist fast so, als wäre ein Stückchen unseres Landes bombardiert worden. Das mindeste, was wir von den Mitgliedstaaten der Nato erwarten, ist die Setzung ihrer Nationalflaggen auf Halbmast!“ Eine Resolution, welche sowohl der britischen als auch der amerikanischen Botschaft übergeben wurde, fordert neben dem bedingungslosen Stopp der militärischen Angriffe auf Jugoslawien auch die offizielle Entschuldigung bei der chinesischen Regierung.

Ganz so spontan wie von den Demonstranten suggeriert scheint die Demonstration aber nicht organisiert worden zu sein. Dagmar Yü-Dembski, die Vorsitzende der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Berlin, geht davon aus, daß der Impuls zu dieser Demonstration hauptsächlich von der chinesischen Erziehungskommission ausging. Letztere fungiert als eine Art Betreuungs- und Kontrollinstitution. „Natürlich ist jeder chinesische Student in deren Karteisystem adresslich registriert“, so Yü-Dembski weiter.

Der Sitz der Kommission in einer Villa am Branitzer Platz birgt neben Konzertsaal, Gästezimmer für chinesische KünstlerInnen und Arbeitsvermittlung fertiger StudentInnen nach China vor allem die Möglichkeit der kulturellen Einflußnahme. So werden mehrmals in der Woche chinesische Filme gezeigt, Vorträge gehalten und Feste organisiert. Als Grund für die Gängelung der Studenten nennt Dagmar Yü-Dembski die Angst der chinesischen Regierung vor dem westlichen Lebensstil: „Die Studenten könnten westlich kapitalistische Werte annehmen oder Drogenproblematiken und moderne Musik wie Rap nach China bringen!“ Trotz der offensichtlich eingeschränkten ideologischen Freiheit wage es jedochkaum jemand öffentlich Kritik zu äußern, bedauert die Yü-Dembski. Die Zurückhaltung ist auch unter den DemonstrantInnen zu merken. Kaum jemand wagt namentlich Stellung zu beziehen.

Das tat inzwischen allerdings der Senat: Drei Tage nach der Zerstörung der chinesischen Botschaft brachte Senatssprecher Michael-Andreas Butz vor zwei hochrangigen chinesischen Mediendelegationen sein „Beileid für das Unglück in Belgrad“ zum Ausdruck. Katrin Cholotta