Vor dem Scherbenhaufen

Nach den Austrittsankündigungen: Sitzungs-Marathon soll die Zukunft der GAL und der Hamburger rot-grünen Koalition klären  ■ Von Sven-Michael Veit

In einem Sitzungs-Marathon entscheidet sich in diesen Tagen das Schicksal der Grün-Alternativen Liste (GAL) in Hamburg – und erste Auswirkungen auf die rot-grüne Koalition in der Hansestadt dürften sichtbar werden. Die fünf Bürgerschaftsabgeordneten Norbert Hackbusch, Lutz Jobs, Julia Koppke, Heike Sudmann und Susanne Uhl hatten angekündigt, die grüne Partei wegen der Unterstützung des Nato-Krieges gegen Serbien durch den Bielefelder Bundesparteitag zu verlassen und eventuell eine eigene Gruppierung in der Bürgerschaft zu gründen: Der GAL droht ein politischer Scherbenhaufen, denn es ist zweifelhaft, daß es bei einer Handvoll Austritte bleibt.

Gestern abend tagte erneut ein Plenum der Parteilinken. Am Freitag abend hatten bereits etwa 50 Mitglieder vom linken Flügel den Bielefelder Beschluß und den „damit verbundenen Politikwechsel in der Bundespartei“ analysiert. Ebenfalls gestern abend trafen sich führende VertreterInnen des Realo-Flügels zu einer „ersten Bewertung“, eine zweite Runde ist für heute abend vorgesehen. Am Dienstag abend will der Landesvorstand der GAL zusammen mit der Bürgerschaftsfraktion und den drei SenatorInnen Krista Sager, Willfried Maier und Alexander Porschke tagen.

Entscheidend aber dürfte die turnusmäßige Fraktionssitzung heute nachmittag sein. „Da wird es wohl nur um dieses eine Thema gehen“, schwant einem der abwanderungswilligen Volksvertreter: „Das wird bestimmt lebhaft werden.“ Mit offiziellen Verkündungen sei deshalb erst am Dienstag zu rechnen.

Bislang halten sich führende Realos mit Kritik an den linken AussteigerInnen auffallend zurück. Sie sei „nicht überrascht“, so Krista Sager, für eine Bewertung sei es aber noch zu früh. Willfried Maier, lange Jahre „Chef-Denker“ der Realos, weist darauf hin, daß es „nicht um persönliche Feindschaften“ gehe, sondern um „unterschiedliche politische Interpretationen“ einer Grundsatzentscheidung. Der stellvertretende Fraktionschef Martin Schmidt lehnt „jeden Kommentar zu Ankündigungen ab“. Er werde „erst reden, wenn die Fakten klar sind“.

Das war gestern noch nicht der Fall. Hackbusch erklärte, keine neue Partei gründen zu wollen. Er könne sich aber „ein Sammelbecken für unzufriedene Grüne“ vorstellen. Auch für linke Sozialdemokraten, so Hackbusch, sei darin Platz. Ähnlich sieht es auch Jobs, dessen Ziel es ist, „grüne Ideen wiederzubeleben“. Er wisse aber noch gar nicht, ob er sein Bürgerschaftsmandat behalten werde: „Wenn da nur eine Handvoll in der letzten Reihe sitzt und im Parlament kaum agieren kann, macht das keinen Sinn“, so Jobs. Dann würde er lieber „außerhalb der Grünen wieder in den Initiativen arbeiten“.

Für den Bergedorfer ist zudem „sehr wichtig“, wie sein Kreisverband sich verhält, der schon vor Wochen eine Abspaltung von der GAL nicht ausgeschlossen hatte. Es gilt als möglich, daß auf der morgigen Kreisversammlung eine deutliche Mehrheit dies beschließt.

Sowohl Hackbusch wie Susanne Uhl kündigten gestern an, nicht in „Fundamentalopposition zu Rot-Grün“ gehen zu wollen. Statt dessen sollten die „Unterschiede“ vor allem in der Sozial-, Wirtschafts- und Umweltpolitik „deutlich gemacht werden“.

Zwei weitere Abgeordnete, denen ebenfalls Austrittsgedanken nachgesagt werden, haben sich bislang nicht offiziell geäußert. Ein dritter Kandidat, der parteilose Abgeordnete Manfred Mahr, erteilte allen Spekulationen eine Absage: „Ich halte den Beschluß von Bielefeld für falsch; und ich halte Austritte und Fraktionswechsel auch für falsch“. Für ihn sei „das Maß meiner parlamentarischen Einflußmöglichkeiten“ entscheidend, und das sei innerhalb der grünen Fraktion höher. Eine weitere Option kommt für Mahr aber auch nicht in Frage: „Jetzt in die GAL einzutreten, wäre auch falsch.“