Lept sich allns wedder toreck

■ Neu verlegt: Feldpostbriefe aus einem niedersächsischen Familiennachlaß / Sinnvolle Lektüre (auch) für Kriegszeiten

Wie ist bei Euch das Wetter? Bei uns scheint die Sonne. Was macht Onkel Albert? Gestern hatten wir Champagner und Likör. Ich lerne Französisch. Bitte laß' die Filme machen, in Chamoix mit gezacktem Rand. Schick' bitte was zu rauchen, zu lesen und zu essen, etwas Fett. Ein großes Problem ist hier die Holzfrage. Wir holen uns vorläufig die Reste aus den Ruinen von Stalingrad. Auf Krieg folgt Frieden, wie auf Regen Sonnenschein folgt. Dat lept sich allns wedder toreck.

Zitate aus Feldpostbriefen, die Hans-Albert Giese zwischen 1940 und 1943 an seine Mutter in Drochtersen bei Stade schickte. Nicht allns hat sich toreckjelopen: Der Schnack stand im letzten Brief, den die Mutter erhielt. Giese wurde bei Stalingrad vermißt und später für tot erklärt: „Man muß hier nur hart sein. Kriegsbriefe und Bilder einer Familie (1934-1945)“ heißt eine von Konrad Elmshäuser und Jan Lokers herausgegebene Sammlung von Feldpostbriefen, die zwischen einer Mutter und ihren beiden Söhnen hin- und hergingen.

Ein nützliches Buch in Kriegszeiten: Es erzählt, daß es 54 Jahre nach dem letzten Krieg zwischen „Nie wieder!“ und einer scheinbaren Hitec-Auseinandersetzung mit Präzisionsschlägen leider auch einen unglaublichen dreckigen und banalen Krieg gibt. Der wird von normalen Leuten mit Müttern und kalten Füßen geführt, die Schweine klauen und tote Russen knipsen. Und die Leute haben zwei Ziele: Endlich mal Urlaub bei Muttern. Und einmal Frieden. Aber der kommt sowieso. Wie auf Regen Sonne folgt.

Die Gieses waren einfache Leute vom Land: Hans Albert war Angestellter bei der Sparkasse, ein normaler Nazi: erst SS, zum angestrebten Parteieintritt kam es eher zufällig nicht. Er erlebte Frankreich als „Kriegstourist“, Rußland eher als Landser. Auch seine Fotomotive änderten sich: Sie zeigten viele abgeschossene Russenbomber.

174 Briefe und 160 Fotos sind abgedruckt – insgesamt eine bedrückende Lektüre, weil alle Quellen den Krieg so vorstellbar machen. Die Leute kümmert ihr Kram, man gewöhnt sich an alles. Man hofft – und man verzweifelt ums Verrecken nicht. Wenn die Sonne scheint und die Front sich etwas verschoben hat, vergißt man den Krieg, und wärmt sich den Pelz. Zwar wußte jeder Feldpostschreiber um die Zensur. Trotzdem drängt sich der Eindruck auf, daß Krieg auch als Mischung von Zeltlager und Cameltrophy erlebbar ist.

Ein historisch interessierter Nachbar der Gieses bot den Nachlaß dem Niedersächsischen Staatsarchiv in Stade an. Eine umfangreiche Einleitung beider Herausgeber gibt Hintergrundinformationen. Das Einordnen hilft dem Leser trotzdem nicht, die Dokumente auf Distanz zu halten. Denn was dort steht, ist weder für immer Vergangenheit, noch für Nachgeborene undenkbar. Leider nicht. BuS

Konrad Elmshäuser / Jan Lokers (Hg.), „Man muß hier nur hart sein“: Kriegsbriefe und Bilder einer Familie (1934-1945). Bremen: Edition Temmen, 1999, 256 S., 147 Abb., geb. 34 DM.