Tempolimit kommt nicht vor 2002

Das Umweltbundesamt fordert Tempo 100. Hauseigene Studie belegt ökologische Vorteile, doch die Bundesregierung reagiert mit Zurückhaltung  ■   Von Thorsten Denkler

Berlin (taz) – Im vergangenen Oktober hat Kanzler Gerhard Schröder eines seiner ersten und gefürchteten Machtworte gesprochen: Kein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. „Wir werden unsere Arbeitsplätze nicht gefährden“, polterte er damals. Damit war die kurz aufgeflammte Diskussion beendet.

Jetzt hat das Umweltbundesamt eine Studie vorgelegt, die aus ökologischen und verkehrssicherheitspolitischen Gründen Tempolimits befürwortet. Die Berliner Umweltforscher errechneten die Emissionsminderungen bei Tempo 100 und 120. Ergebnis: Der Stickoxid-Ausstoß sinkt bei 120 Kilometern pro Stunde um 15 Prozent, bei 100 um 34 Prozent. Die Kohlendioxid-Emissionen sinken um 9 (Tempo 120) beziehungsweise 19 Prozent bei Tempo 100. Und an Stickoxiden werden bei Tempo 120 zwei und bei 100 fünf Prozent weniger in die Luft gepustet.

Allein aus Umweltschutzgründen plädiert das Umweltbundesamt für eine generelle Tempo-100-Regelung. Nicht nur das weniger Schadstoffe ausgestoßen würden: Die Nachfrage nach schnellen und PS-starken Autos werde sinken, die Industrie müsse ihre Autoflotte einem „Downsizing“ unterziehen. Nicht mehr größer und schneller, sondern kleiner, langsamer und somit spritsparender sollen die Autos werden.

Die Forscher haben auch festgestellt, daß Tempolimits zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen. Die gleichmäßigere Fahrweise vermindere die Unfallgefahr. Auch schwere Unfälle mit Todesfolgen werde es seltener geben. In Anbetracht der steigenden Zahl von Autos und des nahenden Verkehrsinfarkts trage eine generelle Tempoverminderung zu einer Entspannung der Situation bei, betonten die Verkehrsexperten. Darüber soll auch die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht werden. Wer spürt, daß er bei Tempo 100 nicht mehr im Stau steht, wird Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht weiter verteufeln.

Bundesverkehrsminister Franz Müntefering konnten diese Argumente bis jetzt nicht überzeugen. Ein Sprecher verwies gestern gegenüber der taz auf den Koalitionsvertrag, der keine Tempobeschränkungen vorsehe. Der gelte bis zum Ende der Legislaturperiode. Auch im Umweltministerium will man nicht von sich aus initiativ werden. Allerdings werde eine „öffentliche Diskussion begrüßt“, die auf Dauer die Bundesregierung „nicht unbeeindruckt lassen“ könne.

In jedem Fall unbeeindruckt von der Studie des Umweltbundesamtes wird wohl der anonyme Erfinder der Internet-Hompage www.tempolimit.de bleiben. Der meint zu Tempo 100: „Wenn ich auf der Autobahn mit mehr als 200 Sachen unterwegs bin, dann bin ich voll konzentriert. Wenn ich aber mit 100 Stundenkilometern vor mich in dackle, schläft mir nach einer Stunde das Gesicht ein.“